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KommDesign.de — Texte — Webdesign ist Produktsdesign (5)

5. Über Verpackungen

 
Verpackungen dienen dem Schutz oder Transport von Produkten, sie sind wichtige Werbeträger, sie prägen den ersten Eindruck, den wir von einem Produkt haben, und sind Instrument für die Imagepflege des Herstellers. Sie müssen auch informieren, d.h. dem Käufer signalisieren, welches Produkt mit welchen Merkmalen zu welchem Preis in ihnen steckt, und schließlich sollen sie Aufmerksamkeit erregen und zum Kauf auffordern. Eine gute Verpackung muß all diese Funktionen erfüllen und gemeinhin tun Produktverpackungen dies auch mehr oder minder. 

Nun können wir bei den meisten Produkten die Verpackung leicht erkennen: Shampoos werden in Flaschen verkauft, Bücher in einem Einband, Computer in Kartons. Was aber ist die Verpackung einer Website ? Eine mögliche Antwort ist: Die Homepage bzw. Start- oder Index-Seite. Sie entspricht in vieler Hinsicht dem Etikett oder Karton eines Produkts. Von ihrer Gestaltung hängt es ab, ob sich ein/e Kund/in in tiefere Schichten der Site hineinbewegt oder gleich weiterklickt, ob er/sie schnell erfährt, wer hier was anbietet und ob sich ein Aufenthalt lohnt. 

Auf einer beachtlichen Zahl von Homepages findet man allerdings auf die simple Frage: "Erkennt man was drin ist ?" auf Anhieb keine Antwort. Einige Designer/innen setzen kurzerhand voraus, jedermann wisse, was die Firma X herstellt oder womit sich die Y-Gesellschaft beschäftigt. Andere gestalten ihre Homepage derart cool, daß man selbst auf den vierten oder fünften (K-)Blick nicht erkennt, was präsentiert wird. Wieder andere lenken ihre Kunden mit knalligen Farben, Animationen, blinkenden Icons oder Werbebannern von den Schlüsselinformationen ab. Im Produktsektor wäre so etwas kaum denkbar. Ein Joghurtbecher, der ästhetisch überaus beeindruckt, ohne irgendeinen Aufschluß über das enthaltene Produkt zu geben, ist Unfug. Das gleiche gilt für einen Waschpulverkarton, der derart mit bunten Bildern gespickt ist, daß Hersteller und Produkt mit Mühe gesucht werden müssen.

 
 

Man kann das Problem aber noch anders sehen: Verpackung ist alles, was nicht zur Funktion beiträgt, also all das, was die Benutzer wegwerfen könnten, ohne hierdurch in der Nutzung des Produkts eingeschränkt zu werden. Diese Definition lenkt die Aufmerksamkeit auf einen wichtigen Aspekt, nämlich das Verhältnis von Verpackung und Produkt. Niemand käme auf den Gedanken, WC-Reiniger in einem gravierten Bleikristallgefäß zu verkaufen. Von der mangelhaften Funktionalität einer Glasflasche abgesehen, wäre die Verpackung im Verhältnis zum Produkt viel zu pompös, zu teuer - und natürlich unpassend. Umgekehrt wäre ein tristes braunes Papiertütchen nicht die geeignete Verpackung für einen edlen Füllfederhalter. (Die schlichten "understatement" Verpackungen, die gelegentlich für besonders exquisite Dinge verwendet werden, seien hier außer Acht gelassen.) Auch das Vorhaben, Tütensuppen in großen Versandkartons mit reichlich Holzwolle oder Styroporchips zu verpacken ist - vorsichtig ausgedrückt - abwegig. Hier liegt das Mißverhältnis einfach im Volumen: gigantische Verpackung für wenig Inhalt. 

So gesehen findet man im WWW eben nicht selten genau dies: protzige Verpackungen mit wenig Inhalt. Raffinierte Animationen, Tasten, die wie poliertes Wurzelholz schimmern oder Hintergrundgrafiken, die eine Oberfläche aus Carrara-Marmor andeuten, können allerdings von einem mangelnden Nutzen nur kurz ablenken. Man kann es auch einfacher sagen: Dinge, die gut aussehen oder aufwendig und chic verpackt sind, sind alleine deshalb noch nicht gut.

Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen der Kaufsituation im Web und beispielsweise im Supermarkt: Es gibt keine Verkäufer, die wir fragen könnten. Die Verpackung muß ganz für sich alleine funktionieren. Wenn sie es nicht tut, versucht der/die irritierte oder genervte Kund/in sein Glück eben stillschweigend bei der Konkurrenz. Besonders brisant ist dies, weil im Web die Verpackung (das Screen-Design, Animationen, Icons, Grafik, Layout) eben allzuoft oft im Vordergrund steht, wenn über Qualität gesprochen wird. Das Dogma ist: "Es muß cool aussehen !", und wenn Websites um- oder neugestaltet werden, geht es dann auch überwiegend um die Frage: "Sieht es denn jetzt auch bestimmt cooler aus ?". Wenn diese von allen Beteiligten bejaht wird, ist man mit dem Ergebnis zufrieden - so hat es zumindest den Anschein. 

Nun geht es bei der Herstellung alltäglicher Dinge zwar auch um neue Verpackungen, die eigentliche Innovation steckt aber immer im Produkt selbst. So abgedroschen der Slogan vom "Weißmacher mehr" ist: er signalisiert eine Verbesserung des Produkts. Hingegen sind Slogans wie "Jetzt mit noch bunterem Etikett !" oder "Jetzt in herrlich knisternder Klarsichtfolie eingeschweißt !" idiotisch. Eine gute - oder bessere - Verpackung ist nur in den seltensten Fällen ein wirksames Verkaufsargument. 
 

 
 
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© Dr. Thomas Wirth Kommunikationsdesign - eMail: thomas.wirth@kommdesign.de
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