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KommDesign.de — Texte — Webdesign ist Produktsdesign (4)

4. Über Bedienungskomfort

4.1. Das Verhindern des Gebrauchs
4.2. Das Verzögern des Gebrauchs
4.3. Das Erschweren des Gebrauchs
4.4. Selektive Benutzbarkeit 
4.5. zum Verhältnis von Nutzen und Benutzbarkeit

 
   
Voraussetzung für ein erfolgreiches Produkt ist nicht nur, daß es einen Nutzen respektive Zusatznutzen vermittelt. Ähnlich wichtig ist, daß sein Gebrauch reibungslos funktioniert, und zwar für alle in Frage kommenden Konsument/innen.    

4.1. Das Verhindern des Gebrauchs

Im schlimmsten Fall kann der Gebrauch schlicht verhindert werden. Bestimmte Spielzeuge lösen sich z.B. beim ersten Ansturm des (neu-)gierigen Nachwuchses in ihre Bestandteile auf, und billige elektrische Feuerzeuge haben die tückische Unart, einen Funken zu produzieren und hörbar Gas abzusondern - ohne eine Flamme zu erzeugen. Vergleichbares gibt es im Web, z.B. wenn Bestellvorgänge so umständlich gestaltet werden, daß man am Ende lieber in einen Laden geht, oder wenn man dringend technischen Rat sucht und nach 10 Minuten intensiven Stöberns noch keine Möglichkeit hierfür gefunden hat. Nicht minder unangenehm ist, wenn man auf eine E-Mail-Anfrage keine Antwort bekommt und - solcherart ernüchtert - wieder zum Telefon greifen muß. In all diesen Fällen wird den verärgerten Kund/innen der Nutzen, den sie erwarten (und für den sie bezahlt haben) vorenthalten.  

 
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 4.2. Das Verzögern des Gebrauchs

Schon die Verzögerung des Gebrauchs kann eine verheerende Wirkung auf die Attraktivität von Produkten haben, selbst dann, wenn man sein Ziel am Ende vielleicht noch erreicht. Daß ein Schnellimbiß, in dem die Zubereitung einer Currywurst eine Stunde dauert, nicht zum Publikumsmagnet wird, steht außer Frage. Ebenso mißlungen wäre ein Auto, dessen ferngesteuertes Schloß erst mit dreiminütiger Verzögerung reagiert. Im Web finden diese Beispiele ihre Entsprechung in Websites, die uns zuallererst eine grandiose Grafik von, sagen wir, 150 Kilobyte (d.h. schlimmstenfalls eine Wartezeit von mehreren Minuten) zumuten, bevor sie uns offenbaren, was hier überhaupt zu finden ist. Ähnlich wirken Exemplare, in welchen das mit keinen Mitteln zu unterbrechende Laden eines Java-Appletts so lange dauert, daß man argwöhnen muß, der Rechner sei hin oder werde vielleicht gerade von irgendwelchen Viren attackiert. Mir stellt sich in solchen Situationen immer die Frage, ob die Zuständigen nie darüber nachgedacht haben, warum Autohersteller Geld und Mühe investiert haben, um das lästige Vorglühen bei Dieselmotoren abzustellen (was ja im Gegensatz zu den Ladezeiten vieler Webseiten nur wenige Sekunden gedauert hat !).

In diesem Zusammenhang noch ein wichtiger Gedanke: Wenn man die eigene Website mit zeitaufwenigen Zutaten ausstattet, dann ist dies ein wirksames Mittel, gerade die besonders wichtigen Besucher fernzuhalten. Ich denke dabei an die alte Weisheit, daß die Bereitschaft zu warten normalerweise mit der Wichtigkeit eines Menschen rapide abnimmt. Entscheider, Manager, Geschäftsführer, Abteilungsleiter und -innen sind in der Regel nicht gerade Vorbilder an Sanftmütigkeit und Geduld. Die Annahme, daß diejenigen, die sich für das eigene Angebot interessieren, ohnehin privilegiert und deshalb für aufwendiges Design ausgestattet seien, verrät zwar gesundes Selbstbewußtsein, aber auch eine gewisse Einfalt. Wenn man davon absieht, daß Wartezeiten jederzeit durch hohen „Traffic“ entstehen können, gibt es vielleicht auch Geschäftsführer/innen oder Top-Manager/innen, die abends von zu Hause aus (mit Notebook und 28.800er Modem) surfen - und dann eben den schlichteren Auftritt der Konkurrenz vorziehen. 

 
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4.3. Das Erschweren des Gebrauchs

Selbst wenn ein Produkt sich uns nicht völlig entzieht oder unsere Geduld strapaziert, kann seine Bedienung aus den unterschiedlichsten Gründen unkomfortabel bleiben. Wichtige Bedienungselemente eines Videorekorders können z.B. auf der Rückseite in einer schwer zugänglichen Gerätenische versteckt sein, und beim Gebrauch mancher Dosenöffner muß man das eigene Körpergewicht geschickt einsetzen, wenn der Dosenrand überhaupt nur geritzt werden soll. Diese Mängel sind so offensichtlich, daß wohl niemand auf den Gedanken käme, von Bedienungskomfort zu sprechen. 

Das geflügelte Wort „lost in hyperspace“ bezeichnet nur eine der Kalamitäten, mit denen man auf umfangreicheren Websites konfrontiert wird: Das Gefühl, nicht mehr zu wissen, wo oben und unten, vorne und hinten ist, wo man herkommt und was man hier eigentlich wollte. Dieses entsteht u.a. dadurch, daß Unmengen von Informationen, die im Grunde niemanden interessieren, in Strukturen abgelegt werden, deren Logik wohl nur denen einigermaßen einleuchtet, die sie gestaltet haben. 

Ein anderes Beispiel: Stellen Sie sich eine Stereoanlage vor, die mit Knöpfen, Tasten und Schiebern gespickt ist, wobei allerdings ein Teil der Elemente nur Attrappen sind, während andere, die Sie nicht im Traum für einen Schalter gehalten hätten, wichtige Funktionen steuern. Damit sind wir bei einem anderen Usability-Killer, nämlich Geheimlinks, die nicht wie Links aussehen und Scheinlinks, die gar keine sind, obwohl sie so aussehen. Gelegentlich führt dies dazu, daß man als Kunde den Monitor mit der Maus in Schleifen „abgrast“ und dabei konzentriert beobachtet, wo der Zeiger sich verräterischer- und oft auch überraschenderweise in eine Hand verwandelt. 

Dies sind nur zwei Beispiele dafür, wie Gestalter/innen im Web Erfordernisse der Benutzbarkeit, die im Produktdesign für jedermann einsichtig sind, und auch schlecht und recht eingehalten werden, ignorieren. (Mehr finden Sie in meiner Galerie).

 
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4.4. Selektive Benutzbarkeit

In bestimmten Fällen mag es wünschenswert sein, bestimmte Käufergruppen vom Kauf oder Gebrauch eines Produkts abzuhalten. Derartige Mechanismen funktionieren meist über das Image, den Preis, oder eine Kombinaton aus beidem (z.B. bei sogenannten „Designer“produkten). Allerdings ist es ungeschickt, um nicht zu sagen blödsinnig, Zielgruppen, die man erreichen möchte, durch Eigenwilligkeiten in der Gestaltung eines Produkts zu behindern oder sie sogar auszuschließen. Eine Dosensuppe, die so scharf ist, daß nur indonesische Köche sie unbeschadet essen können, oder ein Radiowecker, der nur Sender für eingefleischte Volksmusik-Fans empfängt, taugen nicht viel - zumindest nicht als Produkt für jedermann. 

Prinzipiell besteht kein Unterschied zwischen diesen Beispielen und Websites, die sich so präsentieren, daß nur ausgebuffte Experten eine Chance haben zu verstehen, worum es überhaupt geht. Eine oft und gern gewählte Alternative ist die technische Selektion, etwa dann, wenn man die neueste Browserversion, die Grafikanzeige eingeschaltet, einen 17‘ Monitor nebst Highspeed-Leitung, die höchste Bildschirmauslösung und außerdem verschiedene Plugin-Spezialitäten verfügbar haben muß, um sich einigermaßen komfortabel informieren zu können. Auch hier wird ein Teil der Kund/innen - völlig unnötigerweise - behindert. Meldungen wie: „Diese Seiten sind optimiert für den X-Browser in der Version Y und einer Bildschirmauflösung von 1024 x 768 Pixeln“ sind dabei ungefähr so sinnvoll wie eine Autotür mit der Beschriftung „Dieses Fahrzeug ist optimiert für männliche Nichtraucher mit einem Körpergewicht unter 70 kg“. Schlimmer noch: Selbst dann, wenn man das Angebot auch mit einfacher Ausstattung betrachten (das Auto auch als schwergewichtige Raucherin fahren) kann, müssen sich viele Personen wie Kunden zweiter Klasse fühlen. Eigentlich wollen wir ja immer das Beste, was der Hersteller zu bieten hat, und wenn dieser nun offen deutlich macht, daß uns hierfür etwas fehlt, bleibt ein besonders übler Nachgeschmack.

 
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4.5. zum Verhältnis von Nutzen und Benutzbarkeit

Die Frage, welches Gewicht den Faktoren Nutzen und Benutzbarkeit zukommt, ist gerade im Web hoch interessant. Zunächst: Verbraucher sind bereit, ergonomische Defizite zu erdulden, wenn sie am Ende wirklich etwas erreichen können. Wenn dem nicht so wäre, hätten sich viele Marken oder Produkte schon längst aus unserer Warenwelt verabschiedet. Nutzen kann also Mängel in der Benutzbarkeit zu einem gewissen Grad ausgleichen. Diese Beziehung ist allerdings nicht umkehrbar, d.h. Eine komfortabel zu bedienende Nutzlosigkeit bleibt eine Nutzlosigkeit! Insofern sollten die teils heftig geführten Diskussionen um „Usabilty“ (Navigation, Sitemaps, Links, Frames usw.) nicht unabhängig von einer Auseinandersetzung mit dem Problem der „Utility“, also den Anwendungsmöglichkeiten des Mediums geführt werden. Anders gesagt: Würde man alles Nutzlose im Web weglassen, würden viele Designprobleme, die eben dadurch entstehen, daß massenweise nutzlose  Informationen abgelegt, geordnet, vernetzt, verwaltet werden muß, sich einfach in Luft auflösen.

 
 
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© Dr. Thomas Wirth Kommunikationsdesign - eMail: thomas.wirth@kommdesign.de
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