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Artikel 25 von 44
KommDesign.de — Galerie — schlechte Formulare

Anzeige mit Hindernissen
 
Im Formulardesign müssen Instruktionen, Namen, Auswahlmöglichkeiten auf das Denken und Wissen der Benutzer/innen abgestimmt sein. Die einfachste Voraussetzung ist, daß alle handlungsrelevanten Informationen angezeigt und verständlich erklärt werden. Hierbei vergessen Designer/innen nur allzuleicht, daß sie nicht selbst die Benutzer/innen sind.

Die Wochenzeitung "Die ZEIT" war und ist einer der großen Medienpioniere im Web. In Ihrer "Sidestep"-Aktion bietet Sie Firmen, die sich auf dem Online-Markt bewegen, die Möglichkeit, Kleinanzeigen aufzugeben, die dann wahlweise in der Print-Version der ZEIT oder zusätzlich auf der ZEIT-Website erscheinen. Das Formular und die Instruktionen, welche hierfür verwendet werden, sehen auf den ersten Blick ganz harmlos aus:
 

Formular
(so wie hier gezeigt)
Instruktion 
(im Original unter dem Formular)
Anzeigenformular die ZEIT
  • Pro Ausgabe DM 70.00, ohne ZEIT im Internet DM 50.00 für die ersten zwei Zeilen a 24 Anschläge.

  •  
  • Für jede weitere Zeile DM 15.00, ohne ZEIT im Internet DM 10.00.
  •  Screenshot vom 27.05.99  
     

    Nun wollte ich eine dreizeilige Anzeige in der Print-Version der ZEIT mit einem Titel und zwei Textzeilen aufgeben. Beim Ausfüllen des Formulars bin ich dann unvermittelt ins Stocken geraten. Hmm, "die ersten zwei Zeilen a 24 Anschläge" kosten 50 Mark, das ist klar, nur: Wo genau beginnen denn die ersten zwei Zeilen? Ab dem "Branchenwunsch", der "ersten Zeile, hervorgehoben" oder dem "Text"? Mit anderen Worten: werden der Branchenwunsch und/oder der Titel mitberechnet? Ich vermute 'mal ab der "ersten Zeile, hervorgehoben". Naja, ist ja nicht so wichtig, bei dem Preis kommt es auf 10 Mark mehr oder weniger nicht an. Also Formular ausfüllen, Adresse und Bankverbindung angeben und im Feedbackfensterchen mein Verständnisproblem schildern - weg damit!

     
     
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    Nachdem sich das Ganze durchs Netz und wieder zurück gequält hat, erhalte ich eine Fehlermeldung, die besagt, ich hätte in der Überschrift mehr als 20 Zeichen eingegeben, dies sei aber nicht erlaubt. Nanu? Davon ist nirgends die Rede. Ich schaue mir die Instruktionen noch einmal an und beginne zu verstehen. Die Zeilen werden erst ab dem Textfenster gezählt, schließlich heißt es ja "Zeilen a 24 Anschläge", ergo kann die Titelzeile ("erste Zeile, hervorgehoben"), die laut Fehlermeldung nur 20 Anschläge haben darf) nicht dazugehören. Ich kalkuliere haarscharf einen Preis von DM 50 für meinen zweizeiligen Text. Nachdem ich den Titel gekürzt und das Formular nochmals abgeschickt habe, funktoniert die Bestellung dann auch - und kostet DM 60. Die "erste Zeile, hervorgehoben" wird also bei der Preiskalkulation doch mitgezählt! Nur hat Sie offensichtlich nicht 24, sondern nur 20 Anschläge. Ich schlußfolgere, daß das Formular so funktionieren muß, wie in der folgenden 
    Grafik angegeben:

    Erklärung ZEIT Anzeigenformular

    Außerdem wundere ich mich, warum die Designer es nicht fertigbringen, dies eindeutig zu erklären - eine Grafik wie die hier gezeigte, vielleicht über ein Hilfe-Link abrufbar, würde das Problem lösen. Die Zahl der erlaubten Anschläge für den "Branchenwunsch" ist mir übrigens immer noch nicht klar (in meinem Fall war es "Internet", was ja zu kurz ist, um die Frage zu klären, wieviele Anschläge zulässig sind).

     
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    Noch ein weiteres Detail der Abwicklung über das ZEIT-Formular verdient eine Erwähnung. Wenn man den ausgefüllten Bogen abgeschickt hat, erhält man folgende Rückmeldung:
     
    Auftrag gespeichert [0]

     

    Die Meldung "Auftrag gespeichert" ist erfreulich und eindeutig, was aber bedeutet das geheimnisvolle "[0]"? Heißt das vielleicht "Null Fehler" oder "Null Aufträge"? Was könnte anstelle der Null noch dort stehen, 1, 2, 5, 100 , X, Y, §, $, "Danke" oder "Fehler"? Bedeutet das denn überhaupt irgendetwas? Ich weiß es nicht, vermute aber, daß es nicht so wichtig ist, so daß ich es nicht weiter beachten muß. Andererseits: warum wird dann diese geheimnisvolle Meldung dann überhaupt angezeigt? Rückmeldungen, die ein/e Benutzer/in auf Eingaben erhält, sollten selbsterklärend, erklärt oder eben - wie in diesem Beispiel - nicht vorhanden sein.

     
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    Epilog:

    Zwei Stunden nach dem Absenden des Formulars ruft eine Dame von der ZEIT bei mir an und erklärt, sie wolle wegen des Problems, das ich in meiner Mail geschildert hätte, kurz nachfragen. Für jemanden, der daran gewöhnt ist, überhaupt keine oder mehr oder weniger pampige Antworten auf Kritik zu ernten, ist das natürlich ein geradezu unglaublicher Vorgang.

    Als ich meine Fassung also wiedergefunden habe, sage ich ihr, daß ich gewerbsmäßig an Websites herumkrittele, und daß mir dieses Problem eben aufgefallen sei. Darauf antwortet sie mit einem kleinen Sätzchen, das ich in ähnlichen Zusammenhängen schon oft gehört habe. Sie meint (etwas schnippisch):

    "Also, Sie sind der erste, der da Schwierigkeiten hatte.......". 

    Gefolgt von einer Pause, in der mir Gelegenheit gegeben wird, in mich zu gehen und über den Sinn dieser Äußerung nachzudenken. Da ich diese Antwort - wie gesagt - nicht zum ersten Mal hörte, und da ich sie für eine der interessantesten und gleichzeitig schlechtesten halte, die man hier geben kann, möchte ich sie noch einmal kurz etwas genauer unter die Lupe nehmen. Zunächst hat diese scheinbar so sachliche Anmerkung zwischen den Zeilen zwei mögliche Bedeutungen, die ich im Klartext folgendermaßen übersetzen würde:

    1. Das Problem ist nicht das Formular. Die anderen sind einfach schlauer als Sie, sie haben deshalb dieses Problem nicht und beschweren sich auch nicht - Sie kleiner Dummkopf!
    2. Andere hatten vielleicht das gleiche Problem, aber sie sind eben friedliche Menschen, und Sie sind der einzige, der sich deshalb je beschwert hat - Sie kleiner Nörgler!
    Das hinterlistige sind aber nicht nur diese - nicht eben freundlichen - Botschaften,  sondern auch der Sachverhalt, daß sich der Adressat aussuchen muß, ob und wie er die Anmerkung verstehen will. Und er kann sich dann eigentlich nur noch vollends zum Narren zu machen, indem er erwidert "Meinen Sie vielleicht, ich bin dumm?" oder "Meinen Sie, ich bin ein Querulant?". Das Messer, in das er gelaufen ist, kommt damit unversehends am Rücken wieder heraus, weil beide Antworten eben genau dies bestätigen: Daß er etwas schwer von Begriff ist und/oder sachliche Antworten als Provokation auffaßt ("......... sag' ich doch!"). 

    Mein Tip: Wenn Ihnen Beschwerden zu Ohren/Augen kommen, prüfen Sie zunächst einmal den Sachverhalt, bevor Sie etwas unternehmen. Wenn die Kritik zutrifft, bedanken Sie sich und stellen Sie das Problem ab. Wenn sie gegenstandslos ist, denken Sie sich in aller Stille "So ein Idiot", bedanken Sie sich trotzdem und belassen alles so, wie es ist. Rufen Sie aber niemals bei Kunden an, um ihnen dadurch zu signalisieren, wie ernst Sie Beschwerden nehmen, nur um dann zu sagen, "Sie sind aber der erste ....".

     
     
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    © Dr. Thomas Wirth Kommunikationsdesign - eMail: thomas.wirth@kommdesign.de
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