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KommDesign.de Galerie schlechte
Kommunikation
Koevolution oder: im Bann der Banner |
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In der Ökologie versteht man unter "Koevolution"
die wechselseitige Beeinflussung von Tier- und/oder Pflanzenarten
in ihrer evolutionären Entwicklung. Die Gräser haben
sich z.B. irgendwann dazu entschlossen, Kieselsäure in
ihre Fasern einzulagern, um damit den Grasfressern das Leben
schwer zu machen. Diese "Mineralisierung" erhöht
nämlich die Härte und Widerstandsfähigkeit der
Pflanzenfasern (wenn Sie es nicht glauben, kauen Sie einmal
ein Bündel Heu). Pferde und Kühe wären also jämmerlich
verendet und ausgestorben, wenn sie sich nicht ihrerseits als
Gegenmaßnahme die Zähne mit Flour gehärtet hätten.
Dies war für die Gräser wiederum ein Anlass, sich
mit noch mehr Kieselsäure zu panzern, worauf die Pflanzenfresser....
Das erinnert Sie an die Geschichte von der Henne und dem Ei?
Richtig: Ursache und Wirkung lassen sich in der Koevolution
von Räuber-Beute-Systemen nicht auseinanderhalten. Auch
im Web gibt es eine Koevolution, nämlich zwischen den Herstellern
von Online-Werbeanzeigen (als Räuber) und den gemeinen
Internet-Beutetieren, die auf die vielfältigen Verlockungen,
die da allenthalben präsentiert werden, nicht wirklich
dringend gewartet haben.
Wären Web-Banner
wie in der Zeitung nur bunte Bildchen, die irgendwo am Rand unseres
Bewusstseins vorbeihuschen, wäre alles in Ordnung. Man guckt
mal hin, und damit Schluss. Man weiss auch, dass diese Form der
Werbung durchaus wirkt, dass also Produkte und Firmen, die einfache
Banner auf einer Website schalten, später wiedererkannt und
erinnert werden, wie sich das in der traditionellen Werbung gehört.
Doch das Web ist ja "interaktiv", die Jäger sind
raffiniert, skrupellos und unersättlich. Sie bauen bunte
Bildchen mit biologischen Auslösereizen und klobigen Aufschriften
wie "KLICK MICH"
oder "JETZT KAUFEN!".
Und wenn das nicht mehr ausreicht, die scheu gewordene Beute einzufangen,
schalten sie einen Gang höher: blinkende Banner mit einem
Wechsel der überaus originellen Schriftzüge "KLICK
MICH!" und "JETZT
KAUFEN!", und als Nachbrenner noch eine "EINMALIGE
GELEGENHEIT!" und ein beherztes "GRATIS!".
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Das ist nur ein Bild, klicken Sie also nicht
darauf.
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Mittlerweile hat sich netzweit herumgesprochen,
dass die Inhalte hinter diesen Bannern in der Regel keinen Schuss
Pulver wert sind. Und da sie in 99 von 100 Fällen überhaupt
keinen Bezug zum Thema bzw. zum Handeln der Besucher einer Website
haben, werden sie von der Netzgemeinde kollektiv und zunehmend
ignoriert, also: Koevolution. Die
Beute verharrt sozusagen in ihrem Unterschlupf (ätsch!).
Dies hat sich aber wiederum in den Bannerschmieden herumgesprochen,
und damit beginnt die Spriale sich zu drehen. Es werden immer
neue Winkelzüge ersonnen, uns Botschaften, die zu ignorieren
wir uns eben mit Erfolg angewöhnt hatten, eben doch noch
ins Auge zu trompeten.
Popup-Banner gehören deshalb auf vielen
Websites mittlerweile zur Standardbewaffnung. Merke: was uppoppt,
kann nicht einfach und völlig ignoriert werden, denn man
muss ja mindestens auf das kleine Kreuzchen zum Schließen
des Fensters klicken. Hierzu braucht es eine gewisse Fingerfertigkeit
und ein Minimum an Aufmerksamkeit. Popup-Banner waren also der
nächste Versuch, uns zur Strecke zu bringen, die nächste
Stufe der Koevolution (ätsch!). Und um auch noch die letzten
Zauderer zu erlegen, werden die Fensterlein mit höchst trickreichen
Inhalten gefüllt,
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Besonders beliebt ist der überschwellige Apell an
den - meist männlichen - Fortpflanzungstrieb, sprich:
die Darbietung stark ausgewölbter weiblicher Geschlechtsmerkmale.
Verfügt der Inhalt des Popups beispielsweise über
eine so köstlich eingezwängte Oberweite wie das
hier zu sehende Exemplar, kann man doch als Mann nicht widerstehen,
oder? Wahrlich nicht: Um meinem vordringlichen Ziel, der
Dame ein Kind zu machen, wenigstens ein klein wenig näher
zu kommen, muss ich ja jetzt klicken, da bleibt keine Wahl.
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Mir geht bei solchen Gelegenheiten immer durch
den Kopf, dass ein Psychoanalytiker den lüsternen Klick wahrscheinlich
als symbolische Penetration des mütterlichen Drüsenapparats
mit dem Mauszeiger als Repräsentanz des Phallischen an sich
interpretieren würde... Danach kann ich mich dann mühelos
beherrschen.
Andere Bannermacher haben ihre Popup-Fenster
noch weiter aufgerüstet, z.B. mit einer Komposition aus Betörung
und gefälschten Bedienelementen. Wer in einem solchen Fenster
ein einziges Mal versehentlich auf einen Placebo-Knopf geklickt
hat, tut dies mit Sicherheit niemals wieder. Ich kann es bezeugen,
denn im Zustand nächtlicher Übermüdung habe ich
einmal den gefälschten Knopf zum Schließen des Fensters
getroffen.
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Das Schauspiel,
das danach in meinem Browser entfesselt wurde, hat mich gelehrt,
in Zukunft aufzupassen: es waren ein halbes Dutzend neuer
Popup-Fenster mit ebenso zweifelhaftem wie schweinischem Inhalt,
einschließlich selbstständig durchstartender Schein-Downloads
und einem erigierten 0190-Dialer. Nachdem ich meinen wild
bockenden Browser durch gutes Zureden gebändigt hatte
- ich glaube, ich sagte so etwas wie: "Hooohooo, ganz
ruhig, alter Junge!" -, war mein Adrenalinspiegel jedenfalls
so weit erhöht, dass ich eine Stunde weiter arbeiten
konnte. Aber - ehrlich gesagt - das war es nicht wert. |
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Seitdem fällt es mir überhaupt nicht mehr schwer,
glutäugigen Damen Marke "Madame Olga", die
mir mit intensivhypnotischem Blick Lust auf fette Gewinne
suggerieren möchten, Widerstand zu leisten.
Nein: keine Lust auf fette Gewinne, ganz ehrlich.
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Was die Bannerarchitekten anscheinend noch nicht bemerkt haben:
es ist nicht klug, Scheinbedienelemente mit zustimmenden Begriffen
("Ja!, Kaufen!, Suchen!, Unbedingt haben wollen!") zu
versehen. Ablehnende Begriffe ("nein!, weg!, Ende!, Schluss!,
Aus!, Hau ab!") wären wirksamer.
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Hier war mein Unterbewusstsein z.B. so erfreut, einmal
ganz spontan und wahrheitsgemäß auf "Nein!"
klicken zu dürfen, dass der kritische Verstand nicht
mehr rechtzeitig davor warnen konnte, dass das mit Sicherheit
ein gefälschter Knopf ist, hinter dem sich eine Falle,
z.B. irgendeine dämliche Kundenumfrage...
...zu spät! Es war dann auch so. Wie Sie sich vielleicht
denken können, habe ich noch nie mit so viel Imbrunst
nicht an einer Kundenumfrage teilgenommen.
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Einige Anbieter haben immerhin verstanden, dass der Inhalt eines
Popups irgendwie in einer Verbindung zum Thema der Site stehen
sollte - auch wenn es dabei gelegentlich etwas surrealistisch
zugeht. Hier ist zum Beispiel ein Banner zu sehen, das dem Besucher
die Information, die er ohnehin Beginn der Startseite präsentiert
bekommt, noch einmal in verpoppter Form zeigt - viel hilft viel
und auf alle Fälle doppelt gemoppelt, sozusagen.
Wenn Popups einen messbaren Intelligenzquotienten hätten,
wären wir hier nahe am absoluten Nullpunkt der Skala. (Ich
würde übrigens wetten, dass das Kürzel "VFK4"
in der Titelleiste des Banners Verquastes
für Kunden
heißt - und nicht etwa Verkaufsförderung.)
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Und hier schließlich die Krone der Schöpfung:
ein "interaktives" Banner, das es mir gestattet,
zwischendrin eben mal rasch die Krankenkasse zu wechseln.
Das ist als Mehrzweckangebot in allen Lebenslagen bestens
tauglich. Tragen wir nicht alle tief in uns den Wunsch,
die Krankenkasse zu wechseln? Jetzt sofort? Mit PREMIUM
SELECT? "POWERED BY KarstadtQuelle?
Yeah!
.
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Allerdings ist das Popup als
solches keine wirklich durchschlagende Jagdtechnik. Warum?
Das Zuklicken geht mit etwas Übung sehr schnell, sodass
der gemeine Internet-Nutzer den poppigen Informationsmüll
in den meisten Fällen schon entsorgt hat, bevor er seine
Wirkung überhaupt entfalten kann. Wenn die Verbindung
zu dem Server, der uns die Informationen serviert, nicht pfeilschnell
ist, werden Popup-Banner über das hier zu sehende Stadium
nicht hinauskommen. Ja, so ist das mit der Koevolution (ätsch)! |
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Doch wie es sich für erfolgreiche, aggressive Jäger
gehört, haben die Bannerknechte schon die nächste
Stufe der Rüstungsspirale eingeleitet. Beispielsweise
gibt es da die segensreiche Erfindung des Klebebanners oder
"Sticky-Ads". Das sind Werbeattacken, die hartnäckig
auf einer Stelle des Monitors haften, so sehr man auch versucht,
ihnen zu entscrollen (ätsch!).
Sie werden allerdings kaum ein Sticky Ad und meine Person
gemeinsam auf einer Website antreffen. Die Anwesenheit eines
solchen ist für mich ein zuverlässiges Ausschlußkriterium
für die Nutzung eines Angebots. Nach den Erfahrungen
mit den Sirenen von vorhin unterlasse ich es auch grundsätzlich,
auf "Fenster schließen" zu klicken. Nein,
da hilft nur die Abstimmung mit den Füßen.
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Indessen gibt da noch eine andere Strategie,
nämlich den Störenfried kurzerhand unter ein
neu geöffnetes Browser-Fenster zu schmuggeln. Dort lauert
er dann, unerreichbar für den finalen Rettungsklick (ätsch!).
So wird aus dem vergleichsweise harmlosen Popup-Moorhuhn das versuche-doch-mal-mich-zu-ignorieren-na-los-versuche-es-Fenster.
Und so kann man dann Abends nach getaner Arbeit den Müll
vom Desktop kehren, den die listigen Bannerbauer dort hinterlassen
haben.
Immerhin variiert der Durchseuchungsgrad in Abhängigkeit
vom Thema. Das folgende Bild ist keine Montage. Es gibt den Zustand
meines Desktops nach einem kurzen Ausflug in die wunderbare Welt
der Shareware-Datenbanken wieder:
Besonders beeindruckend ist das Exemplar vorne,
das uns einen Doppelvergaser mit obenliegender Nockenwelle für
unseren lahmen Rechner verspricht und zu diesem Zweck gleich eine
komplett bestückte Benutzeroberfläche präsentiert.
Und natürlich ist das Ganze - wie immer - eine Falle. Es
gibt nur ein Bild und ein einziges Link dahinter. Wohin das wohl
führen mag? Ich weiß es bis heute nicht. Allerdings
weiß ich nun, warum es sich lohnt, Software ganz ordentlich
im Laden zu kaufen. Immerhin muss ich zähneknirschend zugestehen,
dass man hier verloren hat.
In diesem Zusammenhang möchte ich
das erste Gesetz der Bannerkunde formulieren. Es lautet wie folgt:
Die Relevanz der
Inhalte, die ein Banner enthält, ist umgekehrt poportional
zu seiner Penetrationswirkung, einfacher gesagt: was die Abwehr
des Betrachter besonders wirkungsvoll unterläuft, ist besonders
hirnverbrannt.
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