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KommDesign.de — Galerie — schlechte Kommunikation

Kaste mer Riläischenshipp
   

Um Mißverständnissen vorzubeugen: Ich habe mitnichten eine Abneigung gegen die englische Sprache, weit gefehlt. In bestimmten Zusammenhängen bin ich sogar ein überzeugter Anhänger englischer Formulierungen. "Money makes the world go round" klingt besser als "Das Geld macht, dass die Welt sich dreht". Das ist ganz eindeutig. Ich würde es auch vorziehen, einen Whopper bei Burgerking zu essen, anstatt einen Mordsoschi beim Bulettenkönig - wenn es mich einmal überkommen sollte. "Fuck off" oder "kopulier' Dich"? Auch hier fällt die (Sprach-) Wahl nicht schwer.

Andererseits wird in unserer Gesellschaft das Englische manchmal im ungesunden Übermaß gepflegt. Insbesondere Unternehmen der deutschen Hochfinanz legen derzeit einen beachtlichen missionarisch-anglophilen Eifer an den Tag, indem sie german wording copletely aus ihren corporate standards excluden. Wen wundert's? Wer im staff eines global players mit job titles wie "Senior Consultant", "Account Manager" oder gar "Chief Information Officer" dekoriert wird, kann doch nicht einfach dahertalken wie ihm der Schnabel gewachsen ist.

So lange es sich um die interne Kommunikation handelt, ist das Anglizieren kein Problem - zumindest nicht meines. Das ändert sich jedoch abrupt, wenn Websites bis zum Rand mit denglischem Neusprech vollgestopft werden. Am leading edge dieser Bewegung steht die Deutsche Bank, die sich der Angelsächserei in einem solchen Ausmaß befleißigt, dass man nicht nur ernste Zweifel am Verstand der Verantwortlichen, sondern auch an der Gültigkeit der ersten Hälfte des Unternehmensnamens hegen muss. Der folgende Screenshot zeigt einen klitzekleinen Ausschnitt der Vokabeln, die man kennen muss, wenn man www.deutsche-bank.de benutzen möchte:

aus der Startseite der Website der Deutschen Bank
 
Screenshots vom 15.07.2003

Rrichtiggehend exciting, nicht wahr?

Besonders hervorheben möchte ich den Button "Weitere Businesses", und zwar aus drei Gründen:

  • Erstens, weil das ein klassischer Verlegenheitsmülleimer ist. Motto: "Verdammt, was machen wir jetzt mit dem Zeugs! Das damit das passt ja gar nicht in unsere Navigation...". Naja, nehmen wir halt eine Reste-Tüte und stopfen den Krempel hinein. Das Publikum wird's schon fressen, oder?"

    Ich bezweifle es.

  • Zweitens gefällt mir die extravagante Sprachmixtur: ein cooler combined dual language navigation code. Was ein Muttersprachler von solchen Konstruktionen halten mag? Ich könnte mir jedenfalls ein Grinsen nicht verkneifen, wenn ich auf der Website einer "United States Bank" (abgekürzt USB) sprachgemixten Mumpitz wie "...more Geschäfte", "American Vermögensverwaltung" und gleich darunter "USB Immobilien Amerika" lesen würde. Nicht etwa, dass ich die Leute für übergeschnappt halten würde, nein so weit würde ich nicht gehen - besser gesagt: nicht ganz so weit, die Richtung stimmt durchaus. Vor allem aber würde ich auf einen Knick im Selbstbewußtsein schließen. Ihr kommuniziert im Firmennamen lauthals die Zugehörigkeit zu einem Land und einer Kultur, aber wenn's ernst wird, reicht Euch die eigene Sprache nicht aus? Ihr Armen!

  • Drittens: es klingt einfach unglaublich bescheuert.
 
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In anderen Bereichen der Website wird immerhin mehr Ordnung gehalten. Da findet man kein deutsch-englisches Sprachgepansche, sondern eine saubere Trennung: Navigation = englisch, Text = deutsch. Das ist zwar immer noch eine Navigation nach dem KIDEDDE-Prinzip ("Kill' Doch Endlich Die Dämliche Ergonomie!") und mehr als gewöhnungsbedürftig, aber doch zumindest eine klare Sache:

 

Seite aus der Website der Deutschen Bank mit englischer Navigation und deutschem Text

 

 

Zwischenspiel: fiktives Telefonat mit Herrn Arthur Wörding, Head of Communication Disaster, Deutsche Bank AG.

Interviewer: Guten Tag, Herr Wörding. Sagen Sie, fehlen der Deutschen Bank eigentlich die Mittel, Navigationselemente herzustellen, auf denen "Risikomanagement", "Presse" oder "Kontakt" zu lesen ist?

Wörding: Ich weiß, worauf Sie hinauswollen. Da sind sie nicht der Erste. Aber unsere customers sind abel das zu comprehenden. Das hat unsere market research unit clearly geprooft, das ist kein Problem für unser customer relationship.

Interviewer: Kaste mer Riläischenshipp....? Ach so, Verzeihung. Ich comprehende. Und können Ihre deutschen Kunden denn auch Deutsch?

Wörding: Of course, das will ich doch supposen.

Interviewer: Ja und?

Wörding: Was "und"...?

Interviewer: Warum ist dann trotzdem die Navigation auf Ihrer Deutschen Website für deutsche Kunden zu 80% in Englisch?

Wörding: Weil die von mir developten corporate wording rules es so prescriben.

Interviewer: Okay, ich comprehende ebenfalls.

......und warum schreiben die Regeln das so vor?

Wörding: Wegen der growenden internationalization unserer businesses. English ist die global language, und die labels unserer poducts und services müssen globally zu comprehenden sein.

Interviewer: Hm. Und "contact us" ist also ein international einzuführender Produktname und deshalb viel besser als "Kontakt"?

Wörding: ....ääähm. Nein.

Interviewer: Und "Careers" verstehen ihre deutschen Besucher besser als "Karriere"?

Wörding: Probably auch nicht.

Interviewer: Das comprehende ich jetzt aber gar nicht. Warum behindert es die Internationalisierung Ihrer Businesses, wenn Sie Ihre deutschen Kunden in deutsch navigieren lassen?

Wörding: Hm...

Interviewer: Mal im Vertrauen: Kidden Sie eigentlich nur oder meinen Sie das alles wirklich serious?

Wörding: ....tüüüüüüt

Interviewer: Ja sowas. Jetzt hat der Kerl doch glatt upgehangt!

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Da wir gerade dabei sind: Ganz abgesehen von dem Sprachproblem gibt es auf deutsche-bank.de allenthalben Kleinode der missglückten Kommunikation zu bewundern - angesichts der Ausmaße des Hauses sollte man ja vielleicht eher von Großoden sprechen. Sie entstehen vor allem deshalb, weil die Deutschen Banker es sich partout nicht verkneifen können, sich permanent selbst dröhnend auf die Schulter zu schlagen und dies dann als besonderes kommunikatives Leckerli für die Kunden zu verkaufen. Es ist doch bestimmt enorm wichtig für Sie, dass wir uns für großartig, unglaublich und unschlagbar gut halten?"

Das folgende Beispiel liegt auf meiner persönlichen Katastrophenskala irgendwo zwischen dem Ausbruch des Ätna und dem Untergang der Andrea Doria. Man erreicht es ganz leicht, wenn man zu ergründen versucht, was "Private Whealth Management" ist. Einen Mausklick hinter der Startseite wartet die Deutsche Bank mit der folgenden - immerhin in deutscher Sprache gehaltenen - Erklärung auf:

 


Wenn leidenschaftliches Wollen des Vermögenserfolgs der Kundschaft kein überzeugendes Verkaufsargument ist, weiß ich wirklich nicht. Ich muss mein Geld sofort da hintragen, denn meiner eigenen Bank mangelt es in Bezug auf Geldangelegenheiten doch merklich an Heißblütigkeit. Die Leute haben einfach keinen Esprit, sie bunkern einfach nur mein Geld und wirken ansonsten ziemlich neutral und leidenschaftslos. Bei der Deutschen Bank muss das anders sein, da geht es bestimmt hoch her. Allerdings reicht meine Phantasie nicht aus, mir das vorzustellen. Tanzt der Kundenberater vielleicht einen schmissigen Investment-Tango für mich? Oder sind Anfragen am Geldautomat mit fetzigem Sound untermalt? Werden auf der Aktionärsversammlung lustige Büttenreden gehalten? ("Die Dividende wird, ihr liewe Leut', wie Kamelle ins Volk gestreut!") Ja, so muss es wohl sein, und wenn ich es mir jetzt recht überlege, ist Leidenschaft vielleicht doch keine Eigenschaft, die ich von den Leuten erwarte, die mein Geld verwalten.

Im übrigen greifen bei diesem Beispiel Bild und Text wunderbar ineinander. Der Herr auf dem Foto ist kein geringerer als Pierre de Weck, Global Head Private Wealth Management und Member des Group Executive Commitee Deutsche Bank AG. Und sehen Sie einmal genau hin: die Leidenschaft steht ihm ins Gesicht geschrieben.

 
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© Dr. Thomas Wirth Kommunikationsdesign - eMail: thomas.wirth@kommdesign.de
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