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Aufmerksamkeit (3): Über AufmerksamkeitenAufmerksamkeit (5): Aufmerksamkeits-Sprachen
Artikel 9 von 34

KommDesign.de — Texte — Aufmerksamkeit (4)

Aufmerksamkeitsgesetze

Die Intensitätsgesetze
Die Farbgesetze
Einzelwirkungen addieren oder subtrahieren sich
Das Ausnahmegesetz
Das Dissonanzgesetz
Das Gewöhnungsgesetz
Eye-catcher und biologische Signale
Ein kurzes Fazit

 
   
Nachdem wir in den ersten drei Artikeln einiges an Hintergründen zum Funktionieren der Aufmerksamkeit behandelt haben – übrigens längst nicht alles – nun zur Anwendung. Die Fragen, die  in diesem und dem folgenden Beitrag beantwortet werden sollen, sind: 
  • Wie bzw. wodurch wird Aufmerksamkeit ausgelöst? 
  • Mit welchen Methoden wird Aufmerksamkeit im Web gesteuert?
  • Welche Methoden sind sinnvoll?
  • Welche Fehler kann man machen?
In diesem Artikel werden zunächst die grundlegenden Gesetze der Aufmerksamkeit dargestellt - wobei ich gleich vorweg betonen möchte, dass hier nur ein kleiner Teil der Prinzipien behandelt wird, die für das Funktionieren unserer Aufmerksamkeit relevant sind. Das "Warum" der Gesetze soll auch nicht erklärt werden - obwohl man das in den meisten Fällen durchaus tun könnte. Alle Aufmerksamkeitsgesetze haben nämlich einen psychologischen, sozialen oder biologischen Sinn. Sie wurden für unsere Überlebensfähigkeit als Art und als Individuen entwickelt. Ihr unmittelbarer Zweck ist, dafür zu sorgen, dass wir uns mit den Informationen beschäftigen, die wichtig sind - und Unwichtiges übersehen. Weil diese Fähigkeiten im Internet auf eine harte Probe gestellt werden, ist die sinnvolle Anwendung von Aufmerksamkeitsgesetzen bei der Gestaltung von Websites enorm wichtig. Wer die Akzente falsch setzt oder die falschen Mittel verwendet, um Inhalte hervorzuheben, wird Mühe haben, seine Inhalte an den Surfer oder die Surferin zu bringen, mögen sie inhaltlich noch so gut sein.
 
 
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 Die Intensitätsgesetze

Ein erstes Merkmal, auf das unsere Aufmerksamkeit reagiert, ist ganz einfach: Intensität. Das ist trivial. Intensive Kontraste, laute Geräusche, helles Licht, schnelle Bewegungen etc. ziehen die Aufmerksamkeit automatisch an. Wenn ein intensiver und ein weniger intensiver Reiz gleichzeitig wahrgenommen werden, reagieren wir also in der Regel auf den intensiveren. "Reagieren" bedeutet: Wir wenden uns der Information zu, fixieren sie z.B. mit dem Blick und wählen sie als Gegenstand für weiterführende Denkprozesse. Im Web kann man Reagieren wahlweise mit "Lesen" oder "Klicken" übersetzen.

In der folgenden Tabelle sind einige Beispiele für Intensitätsgesetze in der visuellen Wahrnehmung dargestellt: 
 

hoch
Aufmerksamkeitswirkung
gering
hoher Kontrast
geringer Kontrast
groß
klein
komplex
einfach
scharfe Konturen
unscharfe Konturen
 
Intensitätsgesetze gelten in allen Sinnesmodalitäten, also akustisch, taktil und optisch. Sie sind so selbstverständlich, dass es sich verbietet, sie umständlich zu erklären. (Im folgenden Abschnitt werden noch einige Intensitätsgesetze im Zusammenhang mit Farben erklärt.)

Es gibt allerdings Varianten, in welchen es nicht um physikalische Intensität, sondern um Inhalte und sprachlichen Ausdruck, also um die Beschreibung von Dingen geht. Man kann dies leicht verdeutlichen, wenn man einmal einige Wörter gegenüberstellt, die einen bestimmten Sachverhalt mehr oder weniger intensiv ausdrücken bzw. beschreiben. Lesen Sie einmal die Wörter bzw. Formulierungen in der folgenden Tabelle:
 

abgrundtiefer Haß
ablehnende Haltung
gigantisch
groß
brandaktuell
neu
absolut tödlich
eher ungesund
 
Natürlich haben diese Wörter bzw. Formulierungen keine messbaren physikalischen Eigenschaften, trotzdem unterscheiden sie sich ganz offensichtlich in ihrer Intensität, nämlich der Stärke des Ausdrucks. Und obwohl hier keine realen Dinge anwesend sind, sondern nur Vorstellungen, gilt auch hier die Gleichung intensiver = interessanter und attraktiver für die Aufmerksamkeit.   
 
 
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 Die Farbgesetze

Vielleicht haben Sie es schon bemerkt: Seit Telefonzellen nicht mehr leuchtend gelb, sondern in dezentem grausilber mit einigen kleinen magentafarbenen Verzierungen eingefärbt sind, ist es schwieriger geworden, sie zu finden. Man könnte noch viele andere alltägliche Beispiele dafür anführen, dass Farbe unsere Aufmerksamkeit anzieht. Wenn davon die Rede ist, dass Farbe Dinge "attraktiver" (also eben anziehender) macht, ist damit ja oft genau diese Wirkung gemeint. Allerdings gibt es noch eine ganze Reihe spezieller Regeln, welche die Wirkung von Farben auf unsere genauer beschreiben und aufschlüsseln. Die wichtigsten sind in der folgenden Tabelle zusammengefaßt:
 

hoch
Aufmerksamkeitswirkung
gering
Farbe
Grauwerte
reine Farben
Mischtöne
hohe Sättigung
geringe Sättigung
bunt
monochrom
warme Farben
kalte Farben

 

Man kann das Sättigungsgesetz (gesättigte Farben sind wirksamer als Farben mit geringer Sättigung) oder das Reinheitsgesetz (reine Farben sind wirksamer als Mischfarben) übrigens als Varianten des Intensitätsgesetzes aus dem vorigen Abschnitt verstehen. 

Weil Farben eine sehr starke Wirkung auf die menschliche Aufmerksamkeit haben, sollten sie im Informationsdesign immer sparsam und mit System, niemals "einfach so" eingesetzt werden. Vor allem beim Umgang mit intensiven, hoch gesättigten Farben ist Vorsicht geboten. Edward Tufte stellt in seinem (sehr empfehlenswerten und schönen) Buch "Envisioning Information" die folgenden einfachen und einleuchtenden Regeln für die Verwendung von Farben auf:

  • Pastellfarben oder abgedunkelte Farben für größere Flächen bzw. Hintergründe.
  • Intensive Farben nur für kleine Objekte oder Elemente, die besonders betont werden sollen.
Die folgenden Abbildungen verdeutlichen dieses Prinzip. Sie zeigen drei Varianten einer Instruktion für eine nicht ganz alltägliche Aufgabe, nämlich das Lenken von Flugzeugen auf dem Rollfeld. Grafik Nr 1. arbeitet ausschließlich mit Schwarz-Weiss-Kontrasten, Grafik Nr 2. nach den eben aufgestellten Regeln, also intensive Farben für kleine wichtige Objekte, Pastellfarben für den Hintergrund und Unwichtiges. Man kann unmittelbar erkennen, wie die Farbe hier die Informationsdarstellung unterstützt und die Aufmerksamkeit sinnvoll lenkt.  Die farbige Lösung wirkt eleganter, da sie die gleiche Information gewissermaßen mit weniger Lautstärke (=Kontrasten) transportiert und trotzdem besser artikuliert, also Wichtiges von Unwichtigem trennt. Grafik Nr. 3 demonstriert, dass intensive hoch gesättigte Farben eher stören, wenn sie massiert und unüberlegt eingesetzt werden. Unwichtiges (der Rahmen und das Männlein) tritt mit Wichtigem, nämlich den auszuführenden Bewegungen, in Konkurrenz.
 
1. 
2. 
3. 
teilweise modifizierte Abbildungen aus
Edward Tufte (1999) Envisioning Information, Graphics Press.

Es ist übrigens kein Zufall, dass die mittlere Grafik den anderen auch ästhetisch überlegen ist. Ästhetik hat viel mit gezielter und gelungener Aufmerksamkeitslenkung zu tun. Ein Gebilde, das unsere Aufmerksamkeit aus welchen Gründen auch immer nicht gut anspricht, also Wichtiges und Unwichtiges nicht unterscheidet, wirkt eher disharmonisch.  

 
 
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Einzelwirkungen addieren und/oder subtrahieren sich

Bei der bisherigen Darstellung habe ich der Einfachheit halber etwas unterschlagen, das für ein Verstehen von Aufmerksamkeit sehr wesentlich ist. Die aufgeführten Gesetze sind nur dann uneingeschränkt gültig, wenn man sie isoliert betrachtet. Nun gilt aber, dass bei der Wahrnehmung von Informationen – seien es Texte, Filme, Bilder, gesprochene Sprache oder Farben – in der Regel mehrere Gesetze gleichzeitig wirken. Das Ergebnis, die Wirkung auf den/die Betrachter/in, ergibt sich dann aus einer Verrechnung aller Aspekte, die wahrnehmbar sind. Einzelwirkungen können sich addieren oder subtrahieren, und in manchen Fällen kann das eine Gesetz die Wirkung eines anderen aufheben oder sogar ins Gegenteil verkehren. Die folgenden Grafiken verdeutlichen, wie man sich dies vorstellen kann. 
 

Hier die Ausgangssituation. Drei einfache, grau ausgefüllte Kreise.
Der rechte Kreis wird farblich hervorgehoben. Die Farbe ist zwar "warm", allerdings wenig intensiv.
Nun kommt zur Farbe noch eine hohe Farbsättigung. Der Hervorhebungseffekt ist prägnanter.
Der Hervorhebungseffekt ist noch weiter verstärkt. Jetzt addieren sich drei Merkmale: Farbe + hohe Sättigung + Größe. 
 
Das Beispiel zeigt, wie sich verschiedenen Merkmale bzw. Prinzipien addieren. Und gutes Informationsdesign setzt nicht mehr Hervorhebungstechniken ein, als erforderlich - und möglichst nicht mehrere Techniken gleichzeitig, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Starke Kontraste, intensive Farben, Größe und Buntheit sollten also - in der Regel - nicht gleichzeitig verwendet werden.
 
 
  Das Ausnahmegesetz

Aber die Lage ist noch komplexer. Nehmen wir z.B. einmal das Intensitätsgesetz. In einer Variante besagt es, dass starke Kontraste (Helligkeitsunterschiede) die Aufmerksamkeit stärker anziehen als geringe Kontraste. Die folgende Abbildung zeigt, dass dieses einfache Prinzip stimmt: 
 
Das dunkle Quadrat hat einen höheren Kontrast als die umgebenden hellen Quadrate, deshalb können wir das Intensitätsgesetz anwenden um zu erklären, dass er besonders hervorsticht.
Und diese Anordnung? Sie will aus der Perspektive des Intensitätsgesetzes nicht mehr so recht funktionieren. Das helle Quadrat zieht unsere Aufmerksamkeit an, hat aber hat eine geringere Intensität. Das darf eigentlich nicht sein.

Tatsächlich brauchen wir noch ein weiteres Gesetz, um die Wirkung der unteren Grafik erklären zu können. Ich möchte es als das Ausnahmegesetz bezeichnen. In seiner abstrakten Form besagt es folgendes:

Reize, die anders sind, die Ausnahmen von der Regel also, haben den höchsten Aufmerksamkeitswert. Dies kann man an diesem Textabsatz erkennen, der beidseitig eingerückt und im Unterschied zu dem restlichen Text auf dieser Seite blau gefärbt ist. Obwohl die Schrift kleiner ist, zieht er die Aufmerksamkeit stärker an.
Dies beschreibt ein sehr mächtiges Prinzip, das die meisten einfachen Gesetze, die vorher besprochen wurden, außer Kraft setzen kann. In einer bunten Welt ist das Monochrome auffällig, in einer monochromen Welt das Bunte. Wenn sich alles andere bewegt, wirkt ein statisches Bild besonders attraktiv, obwohl wir auf Bewegungen eigentlich mit einem starken Aufmerksamkeitsreflex reagieren (hierzu später noch Genaueres). 

Es handelt sich bei dem Ausnahmegesetz übrigens um eine andere Qualität von Information. Es geht hierbei nicht mehr um absolute Größen, auch nicht um Wirkungsverhältnisse, sondern gewissermaßen um Figur und Grund. Unser Denken und Wahrnehmen funktioniert nach der Regel "Das Seltenere ist das Wichtigere", und damit kommen wir zu einem weiteren Gesetz, das eng mit dem Ausnahmegesetz verwandt ist.  

 
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Das Dissonanzgesetz

Bei diesem Gesetz geht es weniger um formale Reizmerkmale als um Inhalte. Es beruht darauf, dass wir ständig bestimmte Erwartungen an unsere Umwelt herantragen - man könnte auch etwas wissenschaftlicher von Hypothesen sprechen. Wir erwarten, dass sich alles so verhält, wie wir es gewohnt sind. Dies ist eine Denkweise, die Ressourcen spart. Wenn Erwartungen verletzt werden bzw. Hypothesen nicht eintreffen, "wundern" wir uns. Dinge, die ungewöhnlich, erstaunlich, extrem, unerwartet, absurd, widersprüchlich, eigenartig, exotisch sind, haben deshalb einen hohen Aufmerksamkeitswert, sie sind interessant, weil sie eine Dissonanz erzeugen und dadurch unser Denken herausfordern.
 
Es gibt keine blauen Kakteen, deshalb hat das Bild eines blauen Kaktus einen höheren Aufmerksamkeitswert im Vergleich zu einem ganz gewöhnlichen grünen Exemplar.
...oder haben Sie z.B. schon einmal eine lila Kuh gesehen?
Türme sind in der Regel gerade, und eben deshalb ist der schiefe Turm von Pisa etwas Besonderes - und interessanter als ein normaler Turm (wie etwa der hier der rechts zu sehende). Der "gerade Turm von Pisa" wäre immer noch schön, aber nicht im entferntesten so bekannt.
Diesen Gepardenelefant habe ich in einer einer Stellenanzeige des Computerherstellers DELL entdeckt. Er ist ein besonders schönes Beispiel für die Aufmerksamkeitswirkung absurder Information.

Von allen bisher besprochenen Gesetzen ist das Dissonanzgesetz am anspruchvollsten in der Anwendung. Es ist eine hohe Kunst, Informationen so zu präsentieren, dass sie einerseits Erwartungen erzeugen, diese dann aber verletzen, und dies dann noch so  dosiert, dass die Sache nicht einfach plump-absurd wird. Humor basiert oft auf Dissonanzgesetzen, und wer einmal versucht hat, ganz gezielt witzig zu sein, wird wissen, wie schwierig das ist. Trotzdem ist es nach meinem Urteil das wirksamste Prinzip, wenn man Informationen erfolgreich verkaufen möchte. Es erzeugt nicht nur ein kurzes "Aufmerken", sondern Interesse und Neugier und damit also die Bereitschaft, nachzudenken und sich mit einer Information zu beschäftigen.  

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Das Gewöhnungsgesetz

Ein weiteres wichtiges Aufmerksamkeitsgesetz, das man auf keinen Fall vergessen darf, wenn Informationen gestaltet werden, ist das Gewöhnungsgesetz, oder - um es in der Sprache der Werbung zu sagen - der "Wear-out Effekt". Ein Reiz, der einmal Aufmerksamkeit auf sich zieht, tut dies vielleicht ein zweites und ein drittes Mal. Bei Wiederholungen paßt sich unsere Wahrnehmung aber sehr schnell an Reize an, unser Auge adaptiert sich z.B. an helles Licht, indem die Pupille durch einen entsprechenden Reflex verengt wird. Dies ist ein primitiver Mechanismus, der schon auf der Ebene einzelner Nervenzellen bzw. -impulse gemessen werden kann. Allerdings funktioniert er in ähnlicher Form für komplexere Inhalte und auch für alle hier aufgezählten Aufmerksamkeitsgesetze. Was beim ersten Sehen oder Wahrnehmen neu und spektakulär ist, wird spätestens beim fünften Mal langweilig. Die Ausnahme wird eben sehr schnell zur Regel - und was der Regel entspricht, versetzt uns definitionsgemäß nicht in mehr Erstaunen.

Gewöhnungs- bzw. Abnutzungseffekte können sich sogar ins Gegenteil verkehren, so dass man schließlich anstatt Aufmerksamkeit und Interesse negative Reaktionen und das Gegenteil von Aufmerksamkeit, nämlich Vermeidung und Ablehnung auslösen kann. Was zu oft wiederholt wird, kann ärgerlich und abgeschmackt sein - wie ein Witz, der zu oft erzählt wird. Diesen Aspekt muß man vor allem dann im Hinterkopf haben, wenn man mit dem Dissonanzgesetz oder mit sehr intensiven Reizen arbeitet. Wer sich also ohnehin an der Grenze des Erträglichen bewegt oder sie schon überschritten hat, wird bei seinem Publikum möglicherweise keine Langeweile, sondern eine Sensibilisierung erreichen. Und dieser Prozeß ist genauso grundlegend in unser Gehirn bzw. unser Nervensystem einprogrammiert wie die Gewöhnung - wenn auch weniger bekannt.  

 
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Eye-catcher und biologische Signale

Da wir schon beim Thema "intensive Reize" sind, möchte ich zum Abschluß unseres Ausflugs durch die Gesetze der Aufmerksamkeit noch auf eine besondere Klasse von Reizen eingehen. Man nennt sie üblicherweise "Eye-catcher", und sie beruhen auf Mechanismen, die man in der vergleichenden Verhaltensforschung als "angeborene Auslösereize" bezeichnet. Die folgende Aufstellung zeigt einige der wichtigsten.
 

Bewegung hat immer die höchste Priorität für unsere Aufmerksamkeit. Was sich bewegt, ist immer von hoher Relevanz, z.B. weil es potentiell gefährlich sein könnte - oder weil es cool ist.
Augen sind ebenfalls Reize, auf die wir unwillkürlich reagieren. Dies zeigt sich z.B. darin, dass wir auf parallel stehende Augen, sog. "Drohstarren", mit körperlicher Erregung (höherer Blutdruck etc.) reagieren. Wahrscheinlich beruht diese Reaktion auf einer biologisch programmierten Furcht vor Raubtieren, die im Gegensatz zu friedlichen Pflanzenfressern parallel stehende Augen haben.
Große Areale unserer rechten Hirnhälfte sind auf das Erkennen von Gesichtern spezialisiert. Als soziale Wesen haben wir hierfür ein angeborene Aufmerksamkeit. Besonders sensibel reagiert unsere Aufmerksamkeit auf Mimik. Bereits wenige Stunden alte Säuglinge können ein lächelndes Geicht von einem neutralen oder unfreundichen unterscheiden.
Die hohe Wirksamkeit warmer Farben für unsere Aufmerksamkeit wurde weiter oben schon erwähnt. Von allen reinen Farben ist hochgesättigtes rot diejenige, mit der höchsten Alarmwirkung. 
So genannte Warnfärbungen sind ein weiterer Eye-catcher, der sogar in der Kommunikation zwischen verschiedenen Tierarten funktioniert. Gefährliche Tiere sind oft extrem gefärbt, z.B. halten sich Wespen mit ihrer schwarz-gelben Warnfärbung Freßfeinde vom Leib. Dementsprechend beliebt ist die Kombination schwarz-gelb, wenn Warnhinweise gestaltet werden.
Das Kindchenschema - ein rundes und verkürztes Kopfprofil mit grossen Augen und einer nach vorne gewölbten Stirn ist ebenfalls ein angeborenes Reizschema, auf das wir unwillkürlich positiv reagieren. 
 
 

Abbildung aus Eibl-Eibelfeld (1980) Grundriß der vergleichenden Verhaltensforschung.

Und natürlich dürfen in einer Aufstellung von Eye-catchern sexuelle Reize nicht fehlen. Dieses Bild verführt z.B. zur Betrachtung einer Anzeige, mit deren eyecatchender Hilfe Parfüm verkauft werden soll. Bei solchen Anzeigen wird angesichts des erotischen Geschehens das Produkt leicht zur Nebensache.

 

Eye-catcher sind nicht irgendwelche beliebigen Informationen oder Techniken der Darstellung bzw. Aufmerksamkeitslenkung, sie sind quasi Waffen. Diese Analogie klingt zwar eigentlich kriegerischer als mir lieb ist, sie führt jedoch direkt zur richtigen Konsequenz: Mit Waffen geht man vorsichtig um, und man setzt sie eigentlich nur im Notfall ein - jedenfalls nicht ohne einen triftigen Grund. 

Zwei Eigenschaften von Eye-catchern machen den Umgang mit ihnen im Web besonders schwierig. Erstens kann man sich ihrer Wirkung nicht entziehen. Dies ist besonders problematisch, wenn die Empfänger der biologischen Signale - wie im Web eigentlich anzunehmen - ihre eigenen Ziele verfolgen und dabei eigentlich nicht unterbrochen oder gestört werden möchten. Ein Reiz, der auf einer Werbeanzeige angenehm prickelt, kann auf einer Website als Störenfried wirken. Zweitens lenken Eye-catcher von Inhalten ab, wenn man nicht genau weiß, was wo in welcher Dosis verträglich ist. Das klassische Beispiel hierfür sind sexuelle Reize in der Werbung, die nach verschiedenen empirischen Tests die Gedächtnisleistung für das präsentierte Produkt negativ beeinflussen.

Bei 80-90% der Eye-Catcher im Internet haben die Macher den Begriff der Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht berücksichtigt. Es kann durchaus sinnvoll sein, einen besonderen Service oder ein neues Angebot in der Aufmerksamkeit des Publikums quasi mit biologischem Nachbrenner zu verankern. Andererseits ist es völliger Unsinn, eine Animation einfach deshalb ablaufen zu lassen, weil man gelernt hat, wie animierte Gif-Grafiken oder Flash-Animationen gemacht werden. Und bei vielem, was uns im Web entgegenblinkert, kann ich keinen anderen Grund entdecken.  

 
 
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Ein kurzes Fazit

Im nächsten Artikel dieser Reihe soll es um die Anwendung der Aufmerksamkeitsgesetze an praktischen Beispielen aus dem Webdesign gehen. Ich möchte allerdings zum Abschluß dieses Beitrags noch einige allgemeine Überlegungen oder Schlußfolgerungen darstellen, die sich diesem Beitrag ergeben.

Im Web entstehen häufig dadurch Probleme, dass mit sehr vielen Techniken gleichzeitig gearbeitet wird. 5 Farben, 4 Schriftarten, bunte Buttons, eye-catchende Grafiken und Animationen purzeln durcheinander, ohne dass sich klare Prioritäten oder Schwerpunkte abzeichnen. Die Websites signalisieren: Alles ist wichtig - und damit wird dann am Ende eben nichts mehr hervorgehoben. Es braucht also erstens Bescheidenheit bei den Mitteln, denn nur dann ist eine Hervorhebung von Information überhaupt möglich. Zweitens braucht es natürlich auch Inhalte, die es Wert sind, hervorgehoben zu werden - sonst erübrigt sich alles Buhlen um Aufmerksamkeit. 

Eine wichtige Frage, die sich in Zusammenhang mit dem Gewöhnungsgesetz stellt, ist: Was ist noch wirksam und was vielleicht schon abgenützt? Das "new" auf den fünftausend anderen Websites macht meinen Versuch, mit dem Wort "new" Aufmerksamkeit zu binden, zu einem Problem. Das gleiche gilt für all die aufwendig gestalteten Flash-Intros die oftmals nicht mehr als Scheinoriginalität bieten. Bedenken Sie: Das meiste, das Sie an Effekten bieten können, hat ihr Publikum schon gesehen, vielleicht sogar besser.

Wenn man eine Bilanz über die im Web bevorzugten Techniken zur Hervorhebung von Information zieht, muss man zu dem Schluß kommen, dass Eye-catcher, Farben und Intensität relativ häufig eingesetzt werden. Die subtileren aber besonders wirksamen Techniken, die auf dem Dissonanzgesetz beruhen, findet man vergleichsweise selten. Wer sich im Wettbewerb abheben möchte, sollte häufiger die Frage stellen: "Was ist überraschend, originell, erstaunlich, interessant, unerwartet?" Solche Angebote sind derzeit die Ausnahme von der Regel - und damit der Aufmerksamkeit des Publikums sicher.  

 
 
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