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Artikel 27 von 34
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KommDesign.de Texte Motivation
und Handeln (3)
Über Flow
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Was ist "Flow"?
To flow or not to flow...
Selten erreicht: Flow in World-wide-web
Was tun?
Link zum Thema
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Das Internet und die neuen Medien
bescheren uns jeden Tag neue Wörter und Begriffe, ohne daß
man immer nachvollziehen oder verstehen kann, was sie genau bedeuten
oder wie sie geprägt wurden. Wer die Romane und Erzählungen
von William Gibson nicht gelesen hat wird z.B. kaum je dahinterkommen,
warum allenthalben vom "Cyberspace" die Rede ist. Auch technische
Begriffe wie "Server" oder "Hosting" sind sprachliches Neuland und
für jemanden, der noch keine Erfahrung mit dem WWW hat, und
das ist die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung, völlig
rätselhaft (nebenbei bemerkt ein Sachverhalt, der auf vielen
Websites nicht berücksichtigt wird).
Ich möchte mich in diesem Artikel mit einem etwas älteren
neuen Begriff beschäftigen, der überhaupt nichts mit
Technik aber sehr viel mit dem WWW zu tun hat. Er gibt einige
interessante und sehr grundlegende Hinweise darauf, was man bei
der Angebotsgestaltung im Web richtig oder falsch machen kann.
Es handelt sich um den Begriff "Flow", der von einem amerikanischen
Psychologen mit dem wirklich unglaublich einprägsamen Namen
Mihalyi Czikzentmyhalyi stammt. Dieser hat das Wort "Flow"
Mitte der 70er Jahre erstmals verwendet, um einen besonderen Bewußtseinszustand
zu bezeichnen. Das mag auf den ersten Blick etwas mystisch klingen
- riecht irgendwie nach Hypnose oder transzendentaler Meditation
-, ist es aber nicht. Eigentlich ist Flow sogar etwas relativ
alltägliches, das wir alle aus eigener Erfahrung kennen.
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Was ist
"Flow"?
Flow entsteht, wenn wir so in eine Tätigkeit vertieft sind,
daß wir von ihr völlig absorbiert werden, also - wie
es so schön heißt - uns selbst und die Welt um uns
herum vergessen. Dies ist vor allem der Fall bei kreativer Arbeit,
Spielen oder Leistungen, die hohe Anforderungen an Konzentration
und Intellekt stellen. Zu den ersten Flow-Tätigkeiten, die
Gegenstand wissenschaftlicher Analysen waren, gehörten Schachspielen
und Freeclimbing. Und jeder, der sich einer dieser Sportarten
einmal gewidmet hat, wird bestätigen können, daß
beim konzentrierten Spielen (Schach) oder Bewegen (Klettern) alle
irrelevanten Wahrnehmungen und Gedanken komplett weggefiltert
werden. Die ersten Bestimmungsstücke, die für die Definition
des Begriffs Flow wichtig sind, wären also eine fokussierte
Aufmerksamkeit und ein Abgeschirmtsein gegenüber Ablenkungen.
Dieser Effekte können so intensiv sein, daß das Zeitgitter,
in welches wir unsere Handlungen und Erfahrungen gewöhnlich
einordnen, kurzerhand mitvergessen wird. Damit haben wir schon
ein weiteres wichtiges Merkmal der Flow-Erfahrung dingfest gemacht,
nämlich ein Verlust des Zeitgefühls. Am Beispiel
des Spielens kann man dies sehr leicht verdeutlichen: Wer sehr
konzentriert spielt, z.B. ein Computerspiel, macht dabei die Erfahrung,
daß die Zeit "im Flug" vergeht. Man werkelt so vor sich
hin, und unvermittelt sind zwei oder auch drei Stunden vergangen,
ohne daß man es recht bemerkt hat. Wenn eine Tätigkeit
kurzweilig ist, ist sie also ein guter Kandidat für eine
Flow-Aktivität.
Das Beispiel der Computerspiele führt uns zum nächsten
wichtigen Punkt: Flow ist eine uneingeschränkt positive
Erfahrung, die sich aus einem eigentümlichen Gemisch
von Anstrengung und spielerischer Leichtigkeit, hoher Konzentration
und Selbstvergessenheit zusammensetzt. Dies geht einher mit einem
Gefühl von Effizienz und "Können". Flow-trächtige
Handlungen werden deshalb gerne und oft wiederholt, und sie werden
oft um ihrer selbst Willen ausgeführt, selbst wenn
sie bestimmten Zielen dienen (etwa konzentriertes Musizieren,
das für einen Musiker letztlich dazu dienen mag, Geld zu
verdienen). Der Motor, der sie in einer Situation antreibt, liegt
also nicht in einem später eintretenden Erfolg oder einer
von außen kommenden Belohnung, sondern gewissermaßen
im Ausführen der Handlung selbst. Czikzentmyhalyi, der ein
ausgesprochener Freund von Wortneuschöpfungen ist, spricht
in diesem Zusammenhang von "autotelischem" Verhalten (auto = selbst,
Telos = das Ziel).
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To flow
or not to flow...
Eine wichtige Voraussetzung für das Zustandekommen einer
Flow-Erfahrung ist, daß die Anforderungen und Fähigkeiten
im Gleichgewicht sind. Wenn eine Aufgabe zu schwierig wird, besteht
andauernd die Gefahr von Fehlern. Der Handlungsfluß wird
dann häufig unterbrochen, man beschäftigt sich gedanklich
mit einem möglichen Mißerfolg, und damit entsteht Angst
oder Ärger, aber kein Flow. Im umgekehrten Fall, also einer
Unterforderung durch eine zu leichte Aufgabe, hat es sich ebenfalls
schnell ausgeflowt. Interesse und Konzentration lassen nach, und
es entsteht Langeweile. Nun sind natürlich bei sehr primitiven
Tätigkeiten (sagen wir, beim Kauen von Kaugummi) Anforderungen
und Fähigkeiten ebenfalls im Gleichgewicht, aber niemand
käme auf den Gedanken, hier von einer besonders intensiven
Erfahrung zu sprechen. Was "keine Kunst" ist, erzeugt also keinen
Flow. Die folgende Tabelle faßt diese Zusammenhänge
noch einmal zusammen:
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Flow entsteht, wenn Anforderungen
und Fähigkeiten hoch und im Gleichgewicht sind. Unter-
bzw. Überforderung erzeugen Langeweile bzw. Angst. Wenn
Fähigkeiten und Anforderungen gering sind, kommt es zu
keiner besonderen Erfahrung oder Emotion.
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In bezug auf die Frage, ob Flow zustandekommt
oder nicht, ist noch ein weiterer Aspekt wichtig, nämlich das
Prinzip der Aufgabenschwierigkeit: Dies geht indirekt aus
den in der Tabelle dargestellten Bedingungen hervor. Es gilt nämlich:
Je anspruchsvoller die Aufgabe bzw. die Herausforderung, die bearbeitet
bzw. gemeistert wird, desto intensiver der Flow. Dies ist allerdings
in zwei Punkten einzuschränken: Erstens dürfen die Anforderungen
den Bereich des Machbaren nicht überschreiten, und zweitens
ist es nicht wünschenswert, Aufgabenschwierigkeit um einfach
ihrer selbst Willen nach oben zu schrauben, also unnötige Hürden
und Schikanen aufzubauen.
Wenn die Voraussetzungen stimmen, entsteht dann schließlich
das, was der Flow-Erfahrung ihren Namen gegeben hat: Trotz relativ
hoher Anforderungen "fließen" Handlungen und Gedanken, d.h.
sie laufen mühelos ab, und ihre einzelnen Elemente fügen
sich wie von selbst ineinander. Flow macht Spaß, es ist
- so Czikzetmyhalyi - eine Optimal-Erfahrung ("optimal experience").
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Selten
erreicht: Flow in World-wide-web
All dies kann natürlich nur funktionieren, wenn sich die
Umwelt gewissermaßen flow-gerecht verhält, also z.B.
schnell, unmittelbar und präzise Rückmeldungen über
die Wirkung der eigenen Handlungen liefert. Durch Unterbrechungen,
Ablenkungen, Desorientierung oder Mißerfolgserlebnisse hören
Handlungen ganz schnell zu fließen auf, womit es dann zugleich
auch - im wörtlichen Sinn - um den Flow geschehen ist. Und
damit sind wir bei der Frage angelangt, was das ganze mit dem
WWW und Webdesign zu tun hat.
Hierzu wäre zunächst zu sagen, daß das Web eigentlich
ein ideales Flow-Medium ist. Beim Surfen sind innerhalb kürzester
Zeitspannen große Informationsmengen zu bewältigen
und sehr viele Entscheidungen zu treffen. Man bewegt sich innerhalb
eines anscheinend unendlich großen Netzwerks von immer neuen
Informationen und Möglichkeiten, auf die man aktiv und flexibel
reagieren muß. Dies macht nicht nur den eigenartigen Reiz
des Surfens aus, es unterscheidet das Web auch von allen anderen
Medien, vor allem Radio und Fernsehen, in welchen man Informationen
passiv aufnimmt und bestenfalls zum nächsten Kanal oder Sender
zappen kann. Jeder Mausklick, jede neue Website, die erreicht
wird, eröffnet neue Alternativen und kann die Situation,
in der sich ein Benutzer befindet, völlig verändern
- eine sehr anspruchsvolle, aber eben auch eine sehr interessante
Aufgabe mit hohem Flow-Potential.
Andererseits gibt es da allerlei Dinge, die das spielerische
Surfen oft zur Quälerei werden lassen und jeden Flow gleich
im Keim ersticken. Die Konzentration wird beim ersten 404 Fehler
("Seite nicht vorhanden") sabotiert, das Erleben von Kompetenz
geht in unübersichtlichen Seiten voller schwammiger ("Info")
oder abgedroschender ("News") Links in die Knie, und die Aufmerksamkeit
wird von jedem stupide vor sich hin rotierenden Logo defokussiert.
Auch ein Gefühl von Zeitverlust mag angesichts schmucker
Grafiken ebenso schmucker Firmengebäude, die sich bei tickendem
Gebührenzähler im Zeitlupentempo entfalten, nicht so
recht aufkommen. Jeder, der einmal auf eine allzu schwerfällig
reagierende Site gewartet hat, wird das kennen: Anstatt sich mit
weiter mit den Zielen zu beschäftigen, die man gerade verfolgt,
schweift man unwillkürlich ab und beginnt z.B. über
die Steuererklärung zu meditieren - womit nicht nur Flow
und Konzentration, sondern auch die gute Laune plötzlich
wie weggezaubert sind.
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Flow kommt auch nicht zustande, wenn
man gezwungen wird, sich mit dem selbstgefälligen Geschwafel
der PR-Texter zu beschäftigen, das sich leider nicht nur in
der notorischen "wir über uns" - Rubrik ansammelt (da kann
man ihm ja leicht aus dem Weg gehen), sondern oftmals ganze Websites
sprachlich verseucht. Genauso unwirksam ist ästhetische Coolness.
Das schöngeistige Erschauern, das uns angesichts einer dezent
in Marmor gravierten Hintergrundgrafik oder polierter Buttons in
digitalem Wurzelholzimitat überfällt, ist im Vergleich
zu einem Flow-Erlebnis allerdings nicht mehr als kalter Kaffee.
Aufwendige programmiertechnische Finessen, die nur von einem Bruchteil
der Benutzer überhaupt als solche erkannt werden, sind ebenfalls
nicht gerade Glanzstücke in Sachen Flow-Erzeugung oder -Erhaltung.
Und ganz weit unten auf der Liste der flow-auslösenden oder
-unterstützenden Gestaltungselemente stehen schließlich
jene Flash-Shockwave Profiarbeiten, die sich selbst als interaktive
Erlebniswelten mit "maximalem Infotainment" anpreisen, und unterm
Strich dann nicht mehr zu bieten haben, als ein von schmissiger
Kaufhausmusik untermalter und obendrein noch langweiliger TV-Trailer. |
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Was tun?
Nachdem wir nun ausführlich besprochen haben, was aus der
Perspektive der Flow-Psychologie alles abträglich oder irrelevant
ist, möchte ich nun zur Frage kommen, was man mit dem Begriff
Positives anfangen kann. Zunächst ist er geeignet, ein präziseres
Bild von der Motivation der Websurfer zu zeichnen. Wenn Benutzer
im Internet nach Flow-Erfahrungen suchen (und daran kann nicht
der geringste Zweifel bestehen), dann bedeutet dies, daß
sie nicht einfach konsumieren, was man ihnen vorsetzt. Sie versuchen
möglichst effektiv zu lernen, zu handeln, zu entscheiden
und aktiv zu reagieren. Und sie möchten dabei nicht abgelenkt,
behindert oder gestört, sondern unterstützt werden.
Hieraus möchte ich nun nicht die üblichen "10 Tips für
flow-gerechtes Design" ableiten. Das Problem ist zu komplex, als
daß man es auf einige kernige Regeln und Parolen reduzieren
könnte. Es ergeben sich aber immerhin zwei klare Orientierungslinien,
die beim Finden einer Strategie für die Gestaltung und Optimierung
des eigenen Internet-Auftritts behilflich sein können:
Erstens: Es gilt, Ziele und Informationen anzubieten, die es
wert sind, erreicht und gelernt bzw. aufgenommen zu werden. Dies
ist primär eine Frage des "Contents", also der Inhalte, die
man anbietet. Nur wer ein lohnendes Ziel vor Augen hat, wird sich
auf einen längeren gezielten Streifzug durch eine Website
einlassen. Dies ist wiederum die erste und wichtigste Voraussetzung
dafür, daß Flow zustandekommt, denn: Flow braucht Zeit.
Die Zauberformel, mit der man dies erreichen kann, besteht aus
zwei oft mißverstandenen und mißbrauchten Wörtern:
Nutzen und Infotainment. So leicht diese Begriffe
allen Beteiligten über die Lippen gehen, so wenig werden
sie verstanden. Die meisten Anbieter planen ihre Websites frohgemut
für sich selbst, anstatt sich in Perspektivübernahme
zu üben, sprich: zu fragen, was das Publikum wohl interessieren
und binden könnte. Und wie man allenthalben sehen und erleben
kann, ist es keineswegs selbstverständlich, daß Dinge,
die den Verantwortlichen und Gestaltern gefallen, für andere
nützlich und unterhaltsam (also flow-wirksam) sind. Ich persönlich
habe den sogar den Eindruck, daß es da eine Art Umkehrgesetz
gibt: Je zufriedener Agentur ("Da haben wir ja wieder mal echt
gezeigt, was wir können.") und Entscheider ("Da haben wir
die Texte aus unserem Firmenprospekt endlich einmal für etwas
Sinnvolles verwendet".), desto greulicher ist am Ende das Ergebnis.
Was nützlich, interessant und unterhaltsam ist, kann und
soll aber eigentlich das Publikum ganz alleine entscheiden. Einfacher
gesagt: Der Köder muß den Fischen schmecken, nicht
dem Angler.
Der zweite Punkt betrifft das "Wie", also Design und
Benutzerfreundlichkeit. Und auch hier ist die Konsequenz im Grunde
sehr einfach: Alles, was die Benutzer bei der Erreichung ihrer
Ziele und der Aufnahme bzw. Verwertung von Informationen behindern
oder ablenken könnte, ist aus dem Weg zu räumen. Nur
wenn eine Site so gestaltet ist, daß ihre Gäste...
- sie im Schlaf bedienen,
- Gesuchtes schnell finden,
- Informationen mühelos verarbeiten
- ihre Handlungsziele direkt verfolgen können,
...ist sie flow-wirksam. Wenn sie dann noch neue, attraktive Ziele
entdecken und sich obendrein noch unterhalten, hat man nicht nur
eine wirklich perfekte Website, die Besucher werden auch
garantiert wiederkommen - und es weitersagen. Derzeit könnten
neun von zehn Websites bescheidener, einfacher, flacher, schlichter,
leerer, ruhiger, übersichtlicher, prägnanter, kurzum:
besser sein, und zwar ohne daß die Anbieter an ihren eigenen
Zielen auch nur die geringsten Abstriche machen müßten. |
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Abschließend sei noch kurz darauf
hingewiesen, daß das Thema "Flow" im englischsprachigen Web
schon seit längerem Fuß gefaßt hat. Im Project
2000 der Vanderbilt University werden z.B. Anstrengungen unternommen,
Flow zu messen und das Konzept für Marketingzwecke nutzbar
zu machen. Unabhängig von den wissenschaftlichen Problemen,
die dies aufwirft, ist auch hier der Tenor eindeutig: Anbieter,
sie ihre Websites flow-gerecht gestalten, haben Wettbewerbsvorteile.
Die Artikel sind ausgezeichnet, allerdings wissenschaftlich und
methodisch recht anpruchsvoll. Die URL:
http://www2000.ogsm.vanderbilt.edu/research/papers/
html/manuscripts/flow.july.1997/flow.htm
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