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Artikel 26 von 34
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KommDesign.de Texte Motivation
und Handeln (2)
Denken, Handeln Problemlösen und Emotionen
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Ein Szenario zu Beginn
von Zielen, Handlungen und Problemen
über Problemtypen
Barrieren- und Problemdesign
Problemlöseprozesse und -strategien
Wieviele Absichten kann man haben?
Handeln, Problemlösen und Emotionen
Gedächtnis für Handlungen und
Erfahrungen
Unterhaltung und Kommunikation sind
auch Ziele
Klingt wie Grimm's Märchen?
zum Weiterlesen
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http://www.iarchitect.com/index.htm
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Ein Szenario
zu Beginn
Sie haben sich gerade auf der schmissigen Homepage eines Reiseanbieters
angemeldet und möchten nun möglichst schnell erfahren,
was eine dreiwöchige Reise für zwei Personen auf die
Malediven in einem 4-Sterne Hotel direkt am Strand kostet (wir
wollen ja nicht kleinlich sein). Außerdem möchten
Sie natürlich wissen, welche Angebote für den Zeitraum,
in dem Sie verreisen möchten, noch frei sind, und schließlich
möchten Sie die Reise gleich jetzt und hier buchen. Die Homepage
bietet Ihnen nun allerlei Buttons und Links an, und Sie machen
sich daran, das ganze zu durchstöbern.
Wenn ich Sie dabei unterbrechen und fragen würde, was Sie
da tun, würden Sie wahrscheinlich antworten, daß Sie
im Internet surfen oder online eine Reise buchen möchten.
Wenn Sie diesen Artikel schon gelesen hätten, könnten
Sie aber auch (realistisch) sagen: "Ich habe ein Ziel und
weiß noch nicht, wie ich es erreichen kann." oder "Ich löse
gerade ein Problem". Und damit bin ich dort angekommen, wo ich
mit dieser Einleitung hinwollte. Also noch einmal fettgedruckt
und in rot:
Websurfer/innen sind im Internet unterwegs,
um Ziele zu erreichen
oder Probleme zu lösen.
Bevor wir uns mit den Konsequenzen beschäftigen, die diese
eigentlich nicht sonderlich revolutionäre Aussage hat, müssen
wir zunächst noch einige Begriffe genauer klären.
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Von Zielen,
Handlungen und Problemen
Was haben zielgerichtete Handlungen - sei es der Aufbau von Discount-Möbeln
oder das Buchen einer Reise über eine Website - gemeinsam?
Es gibt einen Ausgangs-, meist mehrere Zwischen-
und schließlich einen erwünschten Endzustand.
Außerdem gibt es bestimmte Werkzeuge, um vom einen zum anderen
zu gelangen - nennen wir sie Operatoren. Der Ausgangs-
und Endzustand erklärt sich bei den genannten Beispielen
von selbst, interessanter ist die Frage, was die Operatoren sind.
Beim Discount-Möbelstück wären dies eine Bauanleitung,
die aussieht wie viermal verkleinert und durch ein schlechtes
Faxgerät gejagt, eine Menge Schrauben, noch mehr Stahlstifte
und einige undefinierbare Gegenstände (welchen man erst anmerkt,
daß sie kein Verpackungsmaterial waren, wenn man sie schon
weggeworfen hat). Die Website enthält als Operatoren Dinge
wie Hypertextlinks, Buttons, Formulare und eine Datenbank.
Nun gelangt man in vielen Fällen nicht einfach von selbst
und reibungslos vom Ausgangs- zum Zielzustand, es gibt mehr oder
weniger hohe Barrieren. Und dann wird das Ganze zu einem
Problem, das Handeln zum Problemlösen. Probleme entstehen
also, wenn Handeln ins Stocken gerät - sei bei der Definition
der Ziele und/oder dem Finden und Anwenden von Operatoren (hierzu
gleich noch mehr). Das Abheben von Geld an einem Automaten ist
also z.B. eine einfache zielgerichtete Handlung, man könnte
auch sagen eine Aufgabe. Zum Problem wird die Sache erst, wenn
man die PIN vergessen hat, oder wenn die Karte eingezogen wird.
Zur Verdeutlichung möchte ich dies noch einmal an einem anderen,
geradezu klassischen Problem erklären: Dem Schachspiel:
Die Elemente des Problems "Schach"
Ausgangszustand |
Die Ausgangsstellung der
Figuren vor der Eröffnung |
Zwischenzustände |
Die von Zug zu Zug wechselnde Stellung
der Figuren |
Zielzustand |
Schachmatt |
Operatoren |
Figuren und Zugregeln |
Barriere |
die Züge und die Gerissenheit der
Gegnerin oder des Gegners |
Nun können wir die Begriffe auch noch einmal im Ganzen auf
unsere Reise-Recherche anwenden:
- Der Ausgangszustand sind Sie, urlaubsreif ohne Reisebuchung
vor Ihrem Monitor sitzend,
- Die Zwischenzustände sind alle Seiten, die zwischen
der Startseite und der fertig abgeschickten Buchungsmaske liegen.
- Der Zielzustand ist eine gebuchte Reise.
- Als Operatoren kommen alle Dinge in Frage, sie Sie
auf der Website des Reiseanbieters finden. In erster Linie sind
dies die Links, aber auch erklärende Grafiken, Formulare,
und Skripte können wir als Operatoren ansehen.
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Wo liegt
das Problem? über Problemtypen
In Abhängigkeit davon, wie exakt der Zielzustand definiert
ist, und wieviel eine Person über die relevanten, d.h. zum
Ziel führenden Operatoren weiß, können Probleme
sehr unterschiedlich gelagert sein. Man kann dies anhand von Beispielen
aus dem Alltag des Websurfens sehr schön verdeutlichen:
(1) Probleme beim Finden von Operatoren: Eine Person,
die sich erstmals im WWW bewegt und spezielle Informationen sucht,
(z.B. die Preise verschiedener Reisegesellschaften vergleichen
will) weiß, daß sie diese wahrscheinlich "irgendwie"
erhalten kann. Der Ausgangs- und der Zielzustand sind also bekannt,
die geeigneten Operatoren (Browserfunktionen, Websites, Suchmaschinen,
Datenbanken etc.) allerdings nicht. Da die sich nun nicht von
selbst anbieten, müssen erst sie erst noch gefunden werden
- und wie wir alle wissen, kann das sogar für Oldbies zu
einem Problem werden.
(2) Probleme beim Anwenden von Operatoren: Ein
erfahrener Online-Benutzer, der ein bestimmtes Reiseangebot über
ein Formular aus einer Datenbank herausfischen möchte, kennt
sowohl den Ausgangs- und den Zielzustand als auch die erforderlichen
Operatoren. Lediglich der genaue Weg, der zur Lösung führt,
also die richtigen Filtereinstellungen für die richtigen
Suchkriterien, muß noch gefunden werden. Möglicherweise
war man ja zu ungenau und die Suche liefert zu viele Treffer,
oder es wurden zunächst überhaupt keine Angebote gefunden.
(3) Probleme beim Finden von Zielen: Bei einem
nicht geringen Anteil von Online-Nutzern kann man davon ausgehen,
daß es keine klaren Vorstellungen über Zielzustände
gibt. Sie wollen sich "irgendwie" unterhalten, "irgendwo" nette
Leute kennenlernen oder "irgendwelche" interessanten Informationen
finden. Genau betrachtet wissen sie also nicht recht, was sie
möchten - und das ist ein waschechtes Problem. Übertragen
auf unser Reisebeispiel könnte dies z.B. bedeuten, daß
jemand überhaupt noch nicht weiß wohin er verreisen
möchte, und sich nun aufmacht, um im Web etwas über
attraktive Ziele erfahren.
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Barrieren-
und Problemdesign
Wenn nun alles im Web selbsterklärend wäre und optimal
funktionieren würde, gäbe es keine Barriere - und auch
keine Probleme. In der Regel sind Websites jedoch mit allerlei
Haken und Ösen, Umwegen, Fallen und Unzulänglichkeiten
gespickt, die uns auf Umwege führen, ablenken, irritieren,
und damit Barrieren aufbauen, die das entspannte Handeln zu einem
Problemlöseprozeß machen. Hierzu zwei Beispiele:
(1) Auf dem Weg zur Angebotsdatenbank des Reiseabieters
taucht unversehens ein Link namens "all inclusive" auf. "Aha!"
Denken Sie "All inclusive heißt: billig und problemlos buch-
bzw. kalkulierbar." Also klicken Sie darauf. Nichts passiert.
Garnichts. Das Link ist blind, taub, lahm und stumm. Sie haben
versucht, einen nicht existierenden Operator anzuwenden (ätsch!),
und damit haben Sie also ein echtes Problem. Der Weg zu Ihrem
neu definierten (Unter-)Ziel, etwas über "all inclusive"
- Angebote zu erfahren, ist blockiert, Sie müssen sich einen
neuen Operator suchen. Das ist übrigens kein fiktives Beispiel,
sondern bittere Realität und mir selbst genau so auf der
Website eines Reiseanbieters passiert - Neckermann macht's möglich.
(2) Sie haben sich zu einem Angebot durchgeklickt, das
Ihren Wünschen entspricht. Sie klicken auf den Button mit
dem vielversprechenden Aufschrift: "online buchen". Prompt öffnet
sich ein eifriges Fensterchen, in welchem bestimmt gleich die
Eingabemaske für die Reservierung auftaucht - denken Sie.
Als sich nach 4 Minuten immer noch nichts getan hat, geben Sie
auf. (Ebenfalls keine Fiktion, sondern Wirklichkeit - bei TUI.)
Was ist hier geschehen? Der Operator ist da und signalisiert dies
auch - wozu sonst das eifrige Popup-Window -, offensichtlich ist
es auch der richtige, aber er ist defekt oder reagiert zu träge.
Und wieder haben wir ein Problem.
Ich möchte meine Leserinnen und Leser nicht mit weiteren
Beispielen langweilen. Jeder, der sich im Web auskennt, wird ähnliche
und noch schlimmere Geschichten erzählen können. Allerdings
möchte ich noch anmerken, daß man beide Probleme durch
das Ausweichen auf andere, funktionierende Operatoren, nämlich
einen Katalog nebst Telefonanruf beim Reisebüro, rasch lösen
kann. Die Website ist dann allerdings ein Flop und das viele schöne
Geld für die Datenbankprogrammierung glatt verschwendet.
Probleme können natürlich auch völlig unabhängig
vom Internet entstehen, also sozusagen "hausgemacht" sein, etwa
dann, wenn jemand sich nicht für ein Reiseziel entscheiden
kann (wir hatten diesen Fall weiter oben schon besprochen). Ich
behaupte aber, daß die schwierigsten Probleme im Web durch
Design entstehen.
Durch schlechtes Webdesign werden Barrieren aufgebaut, die Besucher/innen,
die ein einfaches Handlungsziel erreichen möchten, in genervte
Besucher/innen verwandeln, die eventuell gleich mehrere Probleme
lösen müssen. Im schlimmsten (und gar nicht so seltenen)
Fall bleiben sie dabei einfach komplett stecken. Ironischerweise
sind viele dieser Barrieren nicht Mängel im Sinne von etwas
Fehlendem, sondern meist hochästhetische "Operator-Leichen",
welche eigens mit hohem Zeit-, Denk- und Programmier- und Gestaltungsaufwand
geschaffen werden. Das Internet ist als Werkzeug für die
Erreichung von Zielen dann ungefähr so nützlich wie
ein Brotmesser zum Rasenmähen, und die Benutzer/innen werden
in ihrem Handeln auf das Niveau von Karnickeln zurückgeworfen.
Was hiermit gemeint ist, wird im folgenden Abschnitt besprochen.
Darin geht es um....
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Problemlöseprozesse
und -strategien
Wir haben erfahren wie Probleme definiert werden, welche Arten
von Problemen es gibt, und wie sie entstehen können. Aber
wir sind natürlich nicht völlig wehrlose Opfer. Wir
haben dem etwas entgegenzusetzen - unsere Intelligenz. Nun gibt
es sehr unterschiedliche Ansichten darüber, welche Denkprozesse
beim Handeln und Problemlösen nach welchen Gesetzmäßigkeiten
ablaufen. Für unsere Zwecke ist die Vorstellung geeignet,
daß es......
- zeitlich und logisch geordnete Vorgänge sind,
in welchen
- Unterziele definiert,
- Mittel-Ziel-Analysen vorgenommen,
- Operatoren gesucht und
- angewendet werden, so daß schließlich
- in mehreren Schritten
- das Ziel erreicht wird.
Diese Prozesse werden vom Bewußtsein überwacht und bewertet,
d.h. während das Handeln vonstatten geht, wird permanent -
nach jeder Operation - geprüft, ob und wie schnell man sich
dem (Zwischen-)Ziel angenähert hat. Die dahintersteckende Strategie
ist die der Unterschiedsreduktion.
Es gibt noch andere Problemlösestrategien, etwa die Rückwärtssuche
(das Ziel wird betrachtet und der Zustand, der ihm logisch vorausgeht,
analysiert) oder die Bildung von Analogien (das Übertragen
einer Lösungsweges von einer Situation auf eine andere).
Im Web begegnet man einer besonderen Strategie, die auch schon
zum Repertoire niederer Säugetiere, z.B. Ratten und Meerschweinchen
gehört: Versuch und Irrtum - eine Technik, die man
als "planloses Herumprobieren" beschreiben könnte. Von Menschen
wird diese vor allem angewendet,
- wenn sie zu bequem zum Denken sind,
- wenn sie sich nicht konzentrieren können,
- wenn eine systematische Strategie nicht funktioniert,
- wenn sich kein vielversprechender Operator anbietet
- wenn zu viele, zu ähnliche oder zu schwammige
Alternativen vorliegen.
Wenn eine oder mehrere dieser Bedingungen gegeben sind, probiert
man eben einfach aus, welche der verfügbaren Handlungsoptionen
eine Annäherung an das Ziel bewirkt. Angesichts der Komplexität
und der riesigen Menge an Alternativen (bei gleichzeitigem Fehlen
zuverlässiger Entscheidungskriterien) ist das Umschalten auf
die Strategie "Versuch und Irrtum" beim Websurfen als sinnvolle
Notfallreaktion anzusehen.
Wenn allerdings jemand innerhalb einer einzelnen Website auf
diese Technik zurückgreifen muß, um seine Ziele zu
erreichen, stimmt etwas nicht mit dem Design. Wer Websites baut,
muß wissen, daß unser Gehirn auf einfache Situationen
mit einer überschaubaren Zahl von Handlungsalternativen programmiert
ist - was nicht nur eine einfache Wahrheit, sondern auch eine
perfekte Überleitung zum nächsten Abschnitt ist.
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Wieviele
Absichten kann man haben?
Dies ist eine wichtige Frage, weil sie Aufschluß über
die maximale Kapazität oder "Breite" der Verarbeitungsprozesse
gibt, die beim Entscheiden und Handeln stattfinden. Und die Antwort
ist ebenso einfach wie bestechend: 1 (in Worten: eine).
Etwas genauer: Wir können nur ein endgültiges Ziel gemeinsam
mit dem Ziel einer gerade in Arbeit befindlichen "Subroutine"
verfolgen. Mehr geht nur, wenn man gewissermaßen zwischen
parallelen Handlungssträngen hin- und herschaltet, was jedoch
in der Regel zu einer enormen Qualitätsverlust, wenn nicht
sogar zu völlig desolatem Verhalten führt. Unser Gehirn
ist also in dieser Hinsicht äußerst beschränkt.
Multitasking geht zwar bis zu einem gewissen Grad (wenn "überlernte",
automatisierte Prozesse ins Spiel kommen), das gleichzeitige Verfolgen
mehrerer Handlungsziele dagegen nicht.
Weshalb das wichtig ist? Nun, wenn man weiß, daß
am Ende nur eines verfolgt werden kann, ist von entscheidender
Bedeutung, wieviele - und welche - Ziel man auf einer Internet-Seite
überhaupt anbietet. Das Limit liegt ja hier nicht auf der
Seite der Wahrnehmung, wahrgenommen werden sehr viele Alternativen.
Über einen kurzen Zeitraum (sagen wir, einige Sekunden) erinnert
werden ca. 4-5, auch hier gibt es also noch Spielraum. Aber es
kann eben immer nur eine Alternative Priorität erhalten und
zur Absicht werden. Dieser Aspekt wird so oft übersehen,
daß ich ihn noch einmal wiederholen möchte: Die Entscheidung
ist der eigentliche Engpaß.
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Mit gutem oder schlechtem Design kann
man Entscheidungsprozesse und Prozesse der Zielfindung und -verfolgung
unterstützen - oder erschweren. Manche Designer/innen arbeiten
z.B. mit den aberwitzigsten Techniken, damit nur ja nichts untergeht,
das sie im Schweiße ihres Angesichts gestaltet haben. So wird
dann am Ende alles mehr oder weniger hervorgehoben. Ein Beispiel
hierfür sind die unsäglichen Seiten, auf welchen 25-30
gelb-schwarze und obendrein noch rotierende "News"-Icons miteinander
konkurrieren. Sie signalisieren: Hier ist einfach alles wichtig!
Dies überlastet die Aufmerksamkeits-, Gedächtnis- und
Entscheidungsressourcen der Besucher/innen derart, daß sie
in Sachen geordnetes Verhalten gleich das Handtuch werfen müssen.
Mit anderen Worten: "Versuch und Irrtum" ist angesagt. Wenige, eindeutig
kommentierte, übersichtliche, nach Wichtigkeit angeordnete
und überhaupt nicht "geheimnisvolle" Alternativen sind nicht
etwas für Langweiler, sondern für Kund/innen, die Ziele
erreichen möchten.
Das Wissen um diese Kapazitätslimits ist aber noch aus einem
anderen Grund wichtig. Es führt nämlich ganz unmittelbar
zu der Schlußfolgerung, daß Benutzer/innen beim Handeln
und Problemlösen auf Websites abgeschirmt werden müssen.
Alles, was irrelevant, ablenkend, unnütz ist und trotzdem
die Aufmerksamkeit einfängt (etwa eine schmissige Animation),
kann den Handlungsstrang abreißen lassen und die eigentlichen
Ziele vorübergehend oder endgültig vergessen machen.
Solche unwillkürlichen Zielwechsel finden umso eher statt......
- je komplexer die zu verarbeitende Information ist,
- je stärker die mentale Beanspruchung ist,
- je höher die Ermüdung ist,
- je uneindeutiger sich der "richtige" Operator vom
Hintergrundrauschen der irrelevanten Alternativen abhebt,
- je unsicherer Ziele definiert sind.
Und dies sind alles Dinge, die man im Internet fast als Standard
voraussetzen kann. Die Konsequenz eines "oszillierenden" Verhaltens
bzw. Nichtverhaltens mit rasch wechselnden, aber nie wirklich
erreichten Zielen ist die reine Frustration - und damit sind wir
schon beim nächsten Thema, nämlich: |
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Handeln,
Problemlösen und Emotionen
Handlungs- und Problemlöseprozesse können zwar nach
der Logik von Computerprogrammen beschrieben werden, sie sind
aber keinesfalls nur eine "kalte", rationale Angelegenheit. Ganz
im Gegenteil: sie sind in vielerlei Hinsicht mit emotionalen Erfahrungen
verbunden.
Dazu wäre zunächst etwas ganz einfaches zu sagen: Effektives
Handeln und Problemlösen macht Spaß, vorausgesetzt
man hat Erfolg und wird nicht durch allerlei unnötige Widrigkeiten
gebremst oder behindert. Das Gefühl, das erfolgreiches Handeln
und Problemlösen begleitet, nennt man "Flow". Wenn
Sie mehr hierüber erfahren möchten, können Sie
in einem Artikel
nachlesen, der dieses Thema behandelt.
An dieser Stelle möchte ich mich mit handfesteren Reaktionen
beschäftigen, die im Verlauf von gelungenen oder mißlungenen
Handlungen und Problemlöseprozessen entstehen können.
Die folgende Tabelle zeigt, welche allgemeinen Gesetzmäßigkeiten
dabei gelten.
Handlungen und Problemlösen:
emotionale Begleiterscheinungen
Bedingung |
emotionale Konsequenz |
a) das Handeln/Problemlösen schreitet
fort |
Freude, Interesse |
b) ein Ziel oder Zwischenziel, wird erreicht,
das Problem gelöst |
Freude, Stolz, Entspannung, Erleichterung |
c) neue Zielzustände werden definiert |
Neugier, Interesse |
d) wirksame Operatoren werden gefunden |
Interesse, Freude |
e) trotz Anstrengung rückt die Lösung
nicht näher oder entfernt sich |
Ärger, Frustration, Angst, Hilflosigkeit |
f) völliges Fehlen von Zielen |
Langeweile, Orientierungslosigkeit, Depression |
g) zu viele oder unpräzise (Unter-)
Ziele werden verfolgt |
Verwirrung, Frustration, Ärger |
h) das Handeln oder der Problemlöseprozeß
wird behindert oder stark verzögert |
Ärger, Irritation, Ungeduld |
i) es gibt keine sinnvollen Operatoren |
Ärger, Angst, Resignation |
j) ein Operator stellt sich wider Erwarten
als wirkungslos heraus |
Ärger, Frustration |
Anhand unseres Reisebeispiels möchte ich verdeutlichen,
wie man diese Regeln im Web wiederfinden kann.:
- Auf der Website des Reiseanbieters werden Sie mit großen,
hochauflösenden Grafiken konfrontiert, die in sich erst
nach 3 Minuten vollständig aufgebaut haben. - vgl. e),
h).
- Die Hauptoptionen auf der Homepage sind so abstrakt und allgemein
formuliert, daß Sie sich keine genauen Vorstellungen davon
machen können, was sich hinter ihnen verbirgt - vgl. h),
i).
- Nach 15minütigem Stöbern auf der Website haben
Sie das Gefühl, sich im Kreis zu bewegen - vgl. e) g) h)
i).
- Die Eingabe eines Begriffs in der Angebots-Datenbank führt
direkt zu der gesuchten Information - vgl. a), b) d).
- Die Auswertung der Informationen aus der Datenbank ergibt
neue Perspektiven für Ihren nächsten Urlaub - vgl.
c), d).
- Die Suche liefert 537 Hits, von denen sich bei einer genaueren
- zeitraubenden - Analyse mehr als 90% als unbrauchbar erweisen
- vgl. e), g), h), i), j).
- Bei der Informationssuche werden Sie man immer wieder von
höchst interessanten Ablenkern angezogen, so daß
die verfolgten Ziele rasch wechseln - vgl. e), g), h).
Diese Beispiele werden wohl jedem aus dem Internet-Alltag vertraut
sein. Die dahinterstehenden Gesetze sind deshalb so wichtig, weil
sie gar nicht wie Designgesetze aussehen oder derart selbstverständlich
sind - und damit unauffällig -, daß man sich keine Gedanken
über sie macht. Die im Zusammenhang mit Handlungen und Problemlöseprozessen
entstehenden Emotionen - einschließlich Flow-Erfahrungen -
bestimmen die Qualität einer Website aber sehr viel nachhaltiger
als z.B. eine subtil-angenehme Farbgebung. Sie sind auch äußerst
nicht-virtuell, d.h. sie unterscheiden sich in keiner Weise
von denen, die wir im Alltag erleben. Und schließlich bestimmen
sie das zukünftige Verhalten der Besucher/innen stärker
als jedes ästhetische Wohlgefallen oder Unbehagen (mit gewissen
Einschränkungen). Und damit kommen wir direkt zum nächsten
Punkt, nämlich dem.... |
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Gedächtnis
für Handlungen und Erfahrungen
Da unser Handlungsgedächtnis besonders leistungsfähig
ist und Problemlöseprozesse immer in sehr enger Verbindung
zu Handlungen stehen, ist auch die bindende Wirkung einer "handlungsunterstützenden"
oder "problemlösenden" größer als die einer (nur)
originellen oder schönen Website. Eine coole Site mag ihr
Publikum entzücken. Wenn sie nicht mehr tut als dies, hat
sie ihr Pulver aber mit ein bis zwei Besuchen verschossen. Eine
nützliche Site wird immer dann wieder aufgesucht, wenn sie
gebraucht wird - genauso, wie ein Werkzeug bei Bedarf immer wieder
benutzt wird. Das dies ganz direkt etwas mit Erfolg zu tun hat,
kann man anhand der bekannten SELFHTML Seiten von Stefan Münz
sehen. Diese sind nicht deshalb so frequentiert, weil es dort
hübsch aussieht oder "interaktive Erlebniswelten des Cyber-Zeitalters"
geschaffen wurden, sondern weil sich die angebotenen Informationen
als effektive Werkzeuge (Operatoren) zur Erreichung von Zielen
und zur Lösung von Problemen bewährt haben - ganz direkt
und ohne Schnörkel.
Man weiß allerdings auch, daß auch das Gedächtnis
für unvollendete Handlungen und Mißerfolgserlebnisse
- schikanöserweise - geradezu teuflisch gut ist. Wenn jemand
einfach "nur so" im Web herumstochert und dabei auf
schlecht funktionierende Angebote stößt, wird er/sie
das rasch vergessen. Warum? Weil er/sie innerlich nicht beteiligt
war. Wenn allerdings Ziele zu erreichen oder Probleme zu lösen
sind, und eine Website entpuppt sich als Rohrkrepierer, sieht
die Sache schon ganz anders aus. Unser Gehirn "bookmarkt"
Situationen, in welchen es zu negativen Erfahrungen gekommen ist.
(Jeder, der z.B. einmal eine Prüfung in den Sand gesetzt
hat, wird es bestätigen können.) Und das Gedächtnis
kennt hier keine Gnade: Wer für Mißerfolgserlebnisse
sorgt, erreicht damit, daß er überaus wirksam
in - schlechter - Erinnerung bleibt. Dies gilt nicht nur für
die Bedienung von Datenbanken, denn....
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Unterhaltung
und Kommunikation sind auch Ziele
Es scheint mir wichtig, noch einmal gesondert darauf hinzuweisen,
daß die hier dargestellten Gesetzmäßigkeiten
nicht nur für "technische" oder "neutrale" Ziele und Handlungen
gelten - auch wenn sie hier besonders leicht zu erklären
sind. Sie gelten genauso für Kommunikationsprozesse, ein
einfach - mal - so - Herumstöbern und schlichtes Amüsement.
Ein Chat-Kanal, der nicht richtig funktioniert, ist als Operator
für die Erreichung des Ziels "sich mit anderen unterhalten"
unbrauchbar, genauso wie z.B. ein mit pulsierenden Bannern gespicktes
Internet-Magazin für das Ziel "sich unterhaltsam informieren".
Auch eine Website, die uns bei der Erreichung unseres möglichen
Handlungsziels "Spielen" durch umständliche Formulare und
Download-Prozeduren nebst Zeitlupenübertragung nervt, ist
kein effektiver Operator, sondern ein Problem.
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Klingt
wie Grimm's Märchen?
Mein eigenes Fazit aus dem Ganzen: Webdesign sollte nicht (nur)
auf Ästhetik, Werbung, und Selbstdarstellung, sondern auch
- ich persönlich würde sogar sagen: in erster Linie
- auf die Herstellung guter Werkzeuge abzielen. Gute Werkzeuge
benutzt man so lange - und vergißt sie so lange nicht -,
bis man bessere gefunden hat. Ich möchte diesen Artikel nun
jedoch nicht mit den üblichen "10 Geboten" für gutes
oder schlechtes Webdesign abschließen, sondern es meinem
Publikum überlassen, eigene Schlußfolgerungen zu ziehen.
Allerdings möchte ich die Gelegenheit nutzen, um - vorbeugend
- den desillusionierten Web-Profis unter meinen Leserinnen und
Lesern zu antworten, die jetzt sagen: "Das ist ja alles schön
und gut, aber: Meine Kunden sind unerfahren, der Zeitdruck groß,
das Leben kurz, der Wettbewerb hart, die Mieten hoch, die Kinder
hungrig, wo käme man denn da hin, wenn man über so Zeugs
wie Problemlösen und 'Emotionen' nachdenken würde? Das
ist doch viel zu abgehoben, das will doch kein Mensch hören."
Hierzu also ganz kurz: Ich persönlich glaube, daß
es hier momentan ein ganz grundsätzliches Kommunikationsproblem
auf dem Markt gibt: Wer seinen Kunden nicht überzeugend klarmachen
kann, daß sie nicht "irgendeine", sondern eine gute Website
haben sollten, und wer nicht erklären kann, warum gute Websites
komplexe Werkzeuge sind, deren Erstellung eine sorgfältige
Planung etliches an Know-how und Zeit und Investitionen braucht,
darf nicht quengeln, wenn Billiganbieter den Markt mit ebenso
kosten- wie nutzlosen "Visitenkarten im Netz" oder unsäglichen
"Ihr - Firmenprospekt - für - drei - Mark - fünfzig
- weltweit - abrufbar" Angeboten überfluten. Solange die
seriösen Anbieter keine besseren Argumente für ihre
qualitativ hochwertigen Leistungen haben, werden sie im Wettbewerb
gegen die Design-ALDIs unterliegen. Sicher: Die Dinge mögen
noch nicht so weit sein. Wenn man aber darauf wartet, daß
die Kunden endlich die Initiative ergreifen und von selbst
beginnen, z.B. über Problemlöseprozesse oder den Werkzeugcharakter
von Websites nachzudenken, wartet man vergeblich.
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zum Weiterlesen:
Zu den hier dargestellten Hintergrundthemen gibt es bergeweise
wissenschaftliche Literatur, die sich allerdings zum eben mal
so Lesen kaum eignet. Relativ gut verständlich - ohne ins
populäre zu rutschen - sind die folgenden Quellen:
zum Thema Problemlösen:
Dietrich Dörner (1994)
Problemlösen als Informationsverarbeitung
Stuttgart, Kohlhammer.
zu den Themen: Problemlösen, Gedächtnis, Denken
John R. Anderson (1996)
Kognitive Psychologie
Heidelberg, Spektrum Akademische Verlagsgesellschaft.
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