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               Artikel 25 von 34 
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               KommDesign.de  Texte  Motivation 
                und Handeln (1) 
              Über Motivationen 
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                Motivationen sind älter als das Internet 
                 
                  
                Warum handeln Menschen? 16 Basismotivationen 
                 
                  
                Motivation und Webdesign  
                  
                offene und verdeckte Auslösereize 
                 
                  
                Das WWW-Motivationsparadox  
                  
                Fazit  
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            | Man bezeichnet es gerne als "völlig 
              unmotiviert", wenn jemand anscheinend unerklärlich handelt, 
              und solches Verhalten ist dann auch eher selten - vielleicht abgesehen 
              von den Fällen, in welchen 22 erwachsene Männer hinter 
              einem kleinen Lederball herlaufen oder gelangweilte Jugendliche 
              ihre Großmutter anzünden. Wenn man menschliches Verhalten 
              zu verstehen versucht, landet man also früher oder später 
              unweigerlich bei dem Begriff der Motivation. Da nun das Klicken 
              auf Hypertext-Links auch ein "Verhalten" ist, kann es auch im Webdesign 
              nicht schaden, einmal über Motivation nachzudenken. Dieser 
              Artikel soll hierzu einige Anregungen geben. | 
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            |  Motivationen 
              sind älter als das Internet  
               Das ist eine Einsicht, die so offensichtlich ist, daß man 
                sie leicht übersieht oder vergißt. Trotzdem - oder 
                gerade deswegen - ist sie ungeheuer wichtig. Das Spektrum der 
                menschlichen Motivationen ist vor 100.000 Jahren mit festen biologischen 
                Zielen (Partnersuche, Sicherung des Überlebens etc.) entstanden 
                und hat sich seitdem wohl nicht wesentlich verändert. Seine 
                Wurzeln liegen also irgendwo weit in der Vergangenheit, und sie 
                sind auf das Leben von Jägern und Sammlern abgestimmt, die 
                in einer Trockensavanne gemeinschaftlich überleben müssen. 
                Kultur und Sprache machen die Sache zwar komplexer und z.T. weniger 
                durchschaubar, an der biologischen und sozialen Prägung unserer 
                Motivationen ändert das jedoch nichts. Ich betone diesen 
                Sachverhalt hier deshalb, weil das Internet in den knapp 5 Jahren 
                seiner Existenz eben noch keine neuen Motivationen erfunden hat. 
                Unser Gehirn hatte noch keine Zeit, sich an einen "Cyberspace" 
                anzupassen, und auch angesichts der coolsten Homepage funktioniert 
                das dumme Ding einfach hartnäckig weiter wie in der echten 
                Realität. Ein Auge oder ein Gesicht werden also für 
                unsere Wahrnehmung und unser Bewußtsein noch für sehr 
                lange Zeit sehr viel bedeutsamer sein als ein Button, 
                eine bunte horizontale Linie oder eine rotierendes Firmenlogo 
                - so schön solche Dinge auch sein mögen.  
               Bevor man sich die Frage stellt, was man mit einer Website sinnvolles 
                oder weniger sinnvolles anfangen kann, ist es also durchaus angebracht, 
                einmal genauer darüber nachzudenken, was Menschen denn überhaupt 
                zum Handeln bewegt. Man versucht dieses Problem in der Psychologie 
                unter anderem dadurch zu lösen, daß man Listen - sogenannte 
                "Motivtaxonomien" - aufstellt, die wie eine Art Katalog möglichst 
                vollständig beschreiben sollen, welche Motivationen es gibt, 
                welche Funktionen diese haben, mit welchen Verhaltenszielen sie 
                verknüpft sind und wodurch sie ausgelöst werden. In 
                der folgenden Tabelle habe ich eine solche - inhaltlich vereinfachte 
                - Motivtaxonomie mit insgesamt 16 Motivationen zusammengestellt. 
                  
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             Warum handeln Menschen? 16 
              Basismotivationen  
                
              
                
                   
                    | Motivation | 
                    Ziele / Bedeutungen | 
                   
                   
                    | 1. Neugier | 
                    Abwechslung / Neuheit / Wißbegierde 
                      / Horizonterweiterung | 
                   
                   
                    | 2. Leistung | 
                    Ehrgeiz / Erfolg / Perfektionismus / 
                      Effizienz / Wettbewerb  | 
                   
                   
                    | 3. Kontakt | 
                    Ausleben bestehender o. Aufbau neuer 
                      Beziehungen  | 
                   
                   
                    | 4. Macht | 
                    Dominanz / Führung / Kontrolle über 
                      andere | 
                   
                   
                    | 5. Sicherheit | 
                    Risikovorsorge / Vermeiden von Mißerfolgen, 
                      Schmerz, Krankheit | 
                   
                   
                    | 6. Hilfe (anderen) | 
                    Hilfe o. Unterstützung leisten / 
                      Schützen / Fürsorge | 
                   
                   
                    | 7. Hilfe (selbst) | 
                    unterstützt / angeleitet / beschützt 
                      werden | 
                   
                   
                    | 8. Bequemlichkeit | 
                    Vermeiden von Anstrengung, Zeitersparnis | 
                   
                   
                    | 9. Ordnung | 
                    Einfachheit, Verständlichkeit, Vorhersagbarkeit 
                      der Umwelt  | 
                   
                   
                    | 10. Spiel | 
                    Zerstreuung / Unterhaltung / Ablenkung | 
                   
                   
                    | 11. Gewinn | 
                    Geld verdienen o. gewinnbringend anlegen 
                      / Sparen / günstige Geschäfte o. Käufe / 
                      Besitz mehren | 
                   
                   
                    | 12. Prestige | 
                    Bewunderung und Anerkennung durch sich 
                      selbst, reale oder nur vorgestellte Dritte | 
                   
                   
                    | 13. Sex | 
                    reale oder phantasierte sexuelle Aktivität | 
                   
                   
                    | 14. Emotion | 
                    Gefühlsbetonung / Aufregung, Risiko 
                      ("sensation seeking") / Vermeiden bzw. Herbeiführen 
                      negativer bzw. positiver Emotionen | 
                   
                   
                    | 15. Rückzug | 
                    Ruhe / Regeneration / Schlaf | 
                   
                   
                    | 16. Autonomie | 
                    Selbstbestimmung / Freiheit / Widerstand 
                      gegen Beeinflussung / Verteidigung der eigenen Werte und 
                      Meinungen | 
                   
                 
                 
              
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            |  Motivation 
              und Webdesign  
               Natürlich kann man sich darüber streiten, ob das die 
                einzig mögliche und gültige Lösung für eine 
                Motivtaxonomie ist, und ob die Begriffe im einzelnen immer 100%tig 
                glücklich gewählt sind. Dies möchte ich jedoch 
                lieber den Fachkollegen überlassen (die das, nebenbei bemerkt, 
                auch kräftigst tun). Für meine Zwecke ist sie ausreichend.  
               Was kann man im Webdesign mit einer solchen Liste anfangen? Nun: 
                Die 16 Motive beschreiben die möglichen Bedürfnisse, 
                die man bei der Auswahl und Gestaltung von Angeboten im Web ansprechen, 
                also gewissermaßen die "Knöpfe", auf die man drücken 
                kann. Beispiele: Eine Service-Hotline spricht das Motiv Nr.7 (unterstützt, 
                angeleitet werden) an, Videos attraktiver, leichtbekleideter Damen, 
                die sich ihrer Kleidung dann obendrein noch entledigen, wären 
                für Nr. 13 ("Sex") geeignet, ein Diskussionsforum für 
                Nr. 3 ("Kontakt"), während der Download eines Virenscanners 
                sicherlich mit "Sicherheit" (Nr. 5: Risikovorsorge) zu tun hat. 
                Und eben deshalb, weil sie reale Motivationen ansprechen, funktionieren 
                diese Angebote auch, d.h. sie lösen wirklich Verhalten aus, 
                sie werden genutzt, und damit sind sie "gut". Natürlich kann 
                ein einzelnes Angebot auch mehrere Motive gleichzeitig ansprechen, 
                so kann etwa eine Servcie-Hotline - wenn sie gut gemacht ist - 
                mit Sicherheits- und Leistungsmotivation (Nr. 2 und 5), aber auch 
                mit Bequemlichkeit und dem Bedürfnis nach Ordnung (Nr. 8 
                und 9) in Verbindung gebracht werden. 
               Umgekehrt sind Angebote, für die man in dieser Liste kein 
                Äquivalent findet, wirkungslos, weil sie auf dem Hintergrund 
                der Motivstruktur der Besucher/innen eben irrelevant sind (vorausgesetzt 
                natürlich, die Taxonomie ist einigermaßen vollständig). 
                Das Top-Beispiel für ein motivationspsychologisch ungeschicktes 
                Angebot ist selbstgefälliges PR-Material, das mehr mit der 
                Prestige-, Macht- und Gewinnmotivation der Anbieter als den Bedürfnissen 
                und Interessen der Besucher/innen zu tun hat. Und ich persönlich 
                habe den Eindruck, daß dies sehr häufig vorkommt, daß 
                also viele Inhalte im Web eher die Motivationen der Anbieter als 
                die der Besucher widerspiegeln.  
                  
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            |  offene 
              und verdeckte Auslösereize  
               Damit ein Angebot Verhalten auslösen, also eine Motivation 
                wirksam aktivieren kann, muß es als Auslösereiz funktionieren, 
                d.h. es muß möglichst offen und direkt kommunizieren, 
                wofür es gut ist. Dies entspricht exakt dem Vorgang des Kaufens 
                und Verkaufens in der Realität. Ein Hersteller von Kinderzahnpasta 
                wird potentiellen Kunden z.B. mindestens mitteilen, daß 
                sein Produkt vor Paradontose und Karies schützt (Nr. 5 "Sicherheit") 
                und Mundgeruch bekämpft (Nr. 3 "Kontakt"). Wenn er sich mehr 
                Mühe gibt, kann er erklären, daß die Zahnpasta 
                dem Nachwuchs erwiesenermaßen geradezu himmlisch schmeckt 
                (Nr. 8 "Bequemlichkeit" - Vermeiden von Anstregung und Nr. 15 
                "Emotion" - Vermeiden negativer Emotionen auf Seiten der Eltern). 
                Und wenn er dann noch glaubhaft macht, daß sein Produkt 
                außerdem auch von - sagen wir - Boris Becker für seinen 
                Sprößling verwendet wird (Nr. 12 "Prestige") und obendrein 
                noch billig (Nr. 11 - "Gewinn") ist, haben wir das Zeugs schon 
                so gut wie verkauft, also ein (Kauf-)Verhalten ausgelöst. 
               Wichtig ist: Der Hersteller wird uns über all diese Dinge 
                tunlichst nicht selbst nachgrübeln lassen, etwa so: "Hmm, 
                was ist denn hier in der Packung? Oh, Zahnpasta! Wofür könnte 
                die denn gut sein? Sollte ich vielleicht meine Marke wechseln? 
                Mal sehen, welche Wirkstoffe da drin sind - ich habe ja zum Glück 
                immer mein medizinsches Lexikon dabei, in dem ich nachschlagen 
                kann,...... 
               Im Internet geschieht nun exakt das gleiche - oder auch nicht: 
                Ein Angebot, das mich "einfach so" dröge anglotzt (sagen 
                wir, unter dem Label "Download") bürdet mir nicht nur die 
                Last auf, nachzuschauen, was das denn genau sein könnte, 
                ich muß mich obendrein auch noch selbst zu motivieren. "Hmm, 
                könnte interessant sein, wenn das ein kostenloser 
                Service mit interessanten Produkten wäre." Wenn man 
                mir allerdings direkt und ohne Umschweife erklärt was es 
                überhaupt zu holen gibt und mir dann noch andeutet, was ich 
                alles schönes damit anfangen kann, werde ich sehr viel direkter 
                motiviert 'draufzuklicken - und dann funktioniert das Angebot. 
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            |  Das WWW-Motivationsparadox 
               
               Wenn das alles so stimmt, höre ich Sie fragen, 
                warum werden die ganzen "Nutzlosigkeiten" im Web, die ja nach 
                meiner These eben keine Motivationen ansprechen, dann überhaupt 
                besucht und angeschaut? Ist das nicht paradox?  Die Antwort: 
                Nein, und zwar aus mindestens drei Gründen:  
               
                -  Erstens gibt es das beim Menschen ungeheuer stark ausgeprägte 
                  Neugiermotiv, das uns dazu verführt, die merkwürdigsten 
                  Dinge sozusagen probeweise anzuschauen bis das Interesse nachläßt 
                  - was dann sehr schnell geschehen kann. Die Tatsache, daß 
                  jemand auf meinen Seiten stöbert, muß also keinesfalls 
                  heißen, daß er sie am Ende dann auch attraktiv findet. 
 
               
              
                -  Zweitens senden viele Inhalte auf Webseiten eben sehr uneindeutige 
                  Signale, d.h. sie offenbaren nicht, zu welcher Motivation 
                  sie passen oder sprechen Motivationen sehr verdeckt an. So entsteht 
                  eine Situation, in der die Benutzer/innen sozusagen mit Stangen 
                  im Nebel herumstochern und unfreiwillig sehr viel Information 
                  aufsuchen, die mit ihren Bedürfnissen nichts zu tun hat. 
 
               
              
                -  Drittens gibt es eine natürliche Trägheit im Verhalten, 
                  d.h. auch unsinnige oder irrelevante, ablenkende Verhaltensalternativen 
                  werden in der Regel nicht augenblicklich und sofort abgebrochen, 
                  sondern zuerst einmal für eine bestimmte Zeit beibehalten. 
                  Dies kann sehr schnell vorbei sein, aber trotzdem einen "Hit" 
                  in der Zugriffsstatistik produzieren.
 
               
              Zusammengenommen können diese Faktoren 
              dazu führen, daß man auch mit einem völlig unsinnigen 
              Internet-Angebot eine gewisse Publikumsresonanz erzielt. Ob man 
              damit allerdings längerfristig erfolgreich ist, wage ich zu 
              bezweifeln. | 
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            |  Fazit 
               
               Wenn Sie das Angebot auf Ihrer Website motivationspsychologisch 
                attraktiver gestalten möchten, sollten Sie verstärkt 
                darüber nachdenken, welche Motivationen sie ansprechen können. 
                Dabei ist natürlich zu berücksichtigen, mit welcher 
                Zielgruppe man es zu tun hat. Die weiter oben dargestellte Tabelle 
                mit Basismotivationen gibt Ihnen Hinweise, was dabei möglich 
                ist, woran man überhaupt denken kann. In einem zweiten Schritt 
                sollten Sie die Gestaltung so planen, daß möglichst 
                intensive, direkte, unmißverständliche und offene Auslösereize 
                gesetzt werden. Nur wenn Sie Ihrem Publikum helfen, Ziele zu erreichen, 
                die es wert sind, erreicht zu werden, können Sie daran denken, 
                ihre eigenen Ziele wirksam umzusetzen.  
               Zuguterletzt kann man aus dem Ganzen auch eine ebenso einfache 
                wie wirkungsvolle Evaluationstechnik ableiten, die ich selbst 
                gerne einsetze, um Internetangebote zu bewerten. Betrachten Sie 
                sich die Elemente Ihrer Website einmal mit der Frage im Hinterkopf: 
                "Warum sollte da jemand hinschauen, lesen oder klicken, gibt es 
                da eine denkbare Motivation?" Wenn Ihnen auf diese Frage spontan 
                keine Antwort einfällt außer einem vagen "naja, vielleicht 
                gibt's ja jemanden, den das interessiert ", ist etwas faul.  
                  
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              Nachtrag 
              In einem Workshop der CHI '98 mit dem Titel "Beyond Internet 
                Business - as - Usual" stellte Antoinette Littel eine interessante 
                Motivtaxonomie für den Bereich des E-Commerce vor "emotional 
                and social needs of buyers".  
               http://www.zurich.ibm.com/~mrs/chi98/report.html 
               (Figure 3 in der Mitte der Seite) 
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