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Kommunikation (1): Die fehlende DimensionKommunikation (3): Wörter und Bilder
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KommDesign.de — Texte — Kommunikation (2)

Über das Nicht-Kommunizieren

Ein "alter" Fehler: nicht-Kommunizieren
Baustellen-Seiten
nicht-Kommunizieren mit Inhalt
Wie man Fehler findet: Übersetzen in Dialog

 
   
Gelten eigentlich die alten Modelle der Kommunikation, die für die Beschreibung alltäglicher Kommunikationsprozesse entwickelt wurden, auch in den "neuen" Medien? Im vorigen Beitrag dieser Reihe habe ich dies stillschweigend vorausgesetzt. Aber: Brauchen wir hier nicht neues Wissen, neue Begriffe und Theorien? Ist z.B. die Tatsache, daß es im Web von "Connectivity", "Pageviews", "Plugins" und eigenartigen Akronymen (URL, HTML, CSS) wimmelt nicht ein Zeichen dafür, daß wir brandneue Konzepte brauchen - schnellere, coolere, cybermäßigere vielleicht? 
Nein, denn Menschen Kommunizieren heute grundsätzlich nicht anders wie vor 1000 Jahren. Sie haben die gleichen Bedürfnisse und benutzen auch beim Austausch von Botschaften die gleichen Verstehensregeln. 
Ja, denn wir brauchen neues Wissen, weil sich das Web als Medium und die Bedingungen der Internet-Kommunikation von den tradierten Medien und natürlichen Situationen - teils radikal - unterscheiden. 
Wer ignoriert, was sich gehört, läuft also genauso in die Irre wie der, der meint, man könne nun, da alles neu ist, einfach so drauflosgestalten und -schwafeln, ohne sich sorgfältig über die Eigenschaften und die schon vorhandenen Regeln des Mediums zu informieren. "Das Medium machen doch wir..." Dabei ist oft nicht leicht zu verstehen, wo und warum alte Regeln durch neue ersetzt oder eingeschränkt werden. Für eine erfolgreiche Kommunikation, in der Sender und Empfänger ihre Ziele erreichen, ist dies jedoch ganz entscheidend. 
 
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 Ein "alter" Fehler: nicht-Kommunizieren

Wie Fehler entstehen, wenn allgemein gültiges Wissen über menschliche Kommunikation ignoriert wird, kann am Beispiel der Regel vom "nicht-Kommunizieren" verdeutlicht werden. Das klingt mysteriös,  ist aber eigentlich ganz einfach: Nicht-Senden, Stille oder Leere im Ablauf einer Kommunikation ist nicht etwa "nichts", sondern immer "etwas", meist sogar etwas höchst bedeutungsvolles. Eines der wenigen Beispiele, in welchen eine Leer-Botschaft  eine positive Bedeutung hat, ist dieser: Wenn ein Säugling mit dem Brüllen aufhört. Wer es einmal erlebt hat weiß genau, wovon ich spreche: Obwohl hier buchstäblich "Nichts" gesendet wird, ist die Bedeutung klar: "Jetzt bin ich zufrieden, ihr seid entlassen." In der Regel hat nicht-Kommunizieren aber negative Bedeutungen und ist ein wirksames Mittel, sich unbeliebt zu machen. Ein Tipp: Wenn Sie einmal das Ziel haben sollten, sich unsympathisch, arrogant, unhöflich, feindselig darzustellen, dann antworten Sie einfach nicht, das genügt vollauf - und strengt überhaupt nicht an.

Dieses uralte, einfache Gesetz gilt nun auch im Web. Es gibt keine magische Grenze zwischen der realen und der Online-Welt, die das nicht-Kommunizieren hier zu einem Affront, dort zur Belanglosigkeit werden läßt. Das ist allerdings vielerorts nicht klar, und so entstehen dann tödliche (nicht-)Kommunikationsfehler. Besonders krasse Beispiele hierfür sind Komplettbaustellenwebsites, unbeantwortete E-Mails und Baustellen-Seiten. Die eigentlich nicht aber dann eben doch vorhandene Botschaft einer unbeantworteten E-Mail ist ebenso komplex wie rundum negativ. Wenn man sie vollständig ausformuliert, gelangt man ungefähr zu folgender Übersetzung: 
 

Jetzt haben Sie Zeit und Mühe investiert, um uns eine Nachricht zukommen zu lassen. Das war dumm, denn wir interessieren uns nicht dafür. Nachrichten, die uns über E-Mail erreichen, sind für uns genauso wertlos wie Sie und Ihr Anliegen. Warum wir nicht antworten verraten wir Ihnen nicht, vielleicht...
  • war es zu zeitraubend oder zu mühsam, 
  • löschen wir E-Mails grundsätzlich, 
  • gibt es hier niemanden, der für eine Antwort zuständig ist, 
  • hat jemand die Mail gelesen aber einer Antwort nicht für Wert befunden, 
  • antworten wir nur den anderen und Ihnen nicht, 
  • beantworten wir nur E-Mails, von denen wir uns einen Nutzen versprechen. 
Es ist uns aber gleichgültig, was Sie darüber denken - machen Sie sich Ihren eigenen Reim darauf. 

Sie sind uns gleichgültig.

 
Dem hat man eigentlich nichts hinzuzufügen - außer vielleicht, daß jeder Mitarbeiter eines Unternehmens, der so mit Kunden umgehen würde, achtkantig und völlig zu Recht gefeuert würde.
 

 
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Baustellen-Seiten

Und die eigentlich nicht aber doch vorhandene Botschaft einer Baustellen-Seite? Hierzu ein (erlebtes) Beispiel: Ich besuche die Site eines Fremdenverkehrsverbands, um Informationen über die aktuellen Fahrpläne des Nahverkehrs abzurufen. Tatsächlich finde ich auch ein Link, das vielsagend mit "Fahrpläne" bezeichnet ist. In freudiger Erwartung klicke ich es an - und gerate auf eine Seite, in der angekündigt wird, daß hier "in Kürze" die Fahrpläne des Nahverkehrs abrufbar sein werden. Das Ganze ist mit einer schmissigen Grafik (von einer Baustelle) garniert, die auch dem letzten hoffnungsvollen Besucher klarmacht, daß er das, was er erwartet hat, hier eben gerade nicht findet.
 

Jetzt haben Sie auf dieses "Fahrplan"-Link geklickt, und wir haben da gar nichts für Sie vorbereitet außer diesem Baustellenschild. Das gefällt uns gut, und wir denken, daß sein Anblick Sie für den vergeblichen Klick entschädigt - wenn nicht, ist uns das aber eigentlich egal. 

Wir könnten Sie warnen und Ihnen das alles ersparen, aber wir tun es nicht. Es würde den optischen Eindruck unserer Startseite verunstalten, und Besuchern, die nicht darauf klicken, können wir so vorgaukeln, da wäre etwas. Das ist wichtiger als Ihr Interesse an unserem Service. 

Ich muß wohl nicht weiter erklären, daß diese nicht-kommunizierende Site sich wirksam disqualifiziert hat.
 

 
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nicht-Kommunizieren mit Inhalt

Es gibt noch abgeschwächte und subtilere Formen des nicht-Kommunizierens, bei welchen man den Begriff "nichts" durch "nichts Relevantes" oder auch "nichts Verständliches" ersetzen kann. Das Ergebnis ist nicht minder schlecht, denn am Ende nehmen die Besucher/innen von den oft mit viel Aufwand aufbereiteten Informationen eben genau das auf: Nichts. Die Mühe war - für beide Parteien - umsonst.

Die erste Variante des nicht-Kommunizierens mit Inhalt, auf die ich hier eingehen möchte,  ist irrelevante Kommunikation. Im Web baut sie oft auf der Theorie auf, daß das Internet vorrangig ein Medium zur Eigendarstellung von Firmen, Organisationen oder Personen sei. "Unsere Besucher/innen suchen genau solche Informationen, und es ist deshalb zulässig und wünschenswert Botschaften zu senden, deren Gegenstand wir selbst sind." Das ist grundfalsch, denn natürlich ist den Besucher/innen völlig gleichgültig, welche Ziele die Anbieter verfolgen, sie haben mit ihren eigenen vollauf zu tun. Und von diesen bildet das Lesen aufwendig zusammengejubelter Informationen über ein Unternehmen oder seine Produkte bzw. Dienstleistungen nur einen sehr kleinen und meist nebensächlichen Ausschnitt. Wenn sich eine Site in ihrem Informationsangebot auf sterbenslangweilige Infos über die eigene Leistungsfähigkeit, Seriosität und Kundenfreundlichkeit  verläßt, um ihren Besucher/innen etwas zu bieten, ist das also ein Fehler: Nicht-Kommunizieren durch Irrelevanz. Am Ende wird gar nichts kommuniziert, weil das verstockte Publikum das Zeug einfach nicht liest. Und ein zusätzlicher Fehler liegt hier darin, daß Eigenlob stinkt und daß ein Kommunikationspartner, der nur über sich selbst spricht und nicht zuhört, gemieden wird. Das war schon immer so, in allen Situationen und allen Medien - und es ist nicht "Nichts". 

In anderen Fällen werden Inhalte gesendet, sie sind auch relevant, passen also zu den Zielen des Publikums, aber: sie sind nicht zu entschlüsseln. Dies kann verschiedene Gründe haben, in den meisten Fällen ist es eine Folge von unübersetztem Expertenjargon. Hier z.B. die überaus erhellende Erklärung des Begriffs "URL" auf einer Seite, die Laien das Internet verständlich machen soll (die Quelle ist mir leider abhanden gekommen - was kein Zufall ist):
 

Ressourcen auf dem Internet werden mit dem "Uniform Resource Locator" (URL) identifiziert. Die Syntax des URL wird im "Hypertext Transfer Protocol" wie folgt spezifiziert: 

http_URL =  "http:" "//" host [ ":" port ] [ abs_path ] 

host =  <A legal Internet host domain name or IP address 
(in dotted-decimal form), as defined by Section 2.1 of RFC 1123> 

port = DIGIT


.............alles klar?
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Man könnte sich darüber streiten, welche der drei Varianten die schlimmsten Folgen hat. Nehmen wir unbeantwortete E-Mail als zu offensichtliche Katastrophe einmal aus, dann erscheint das nicht-Kommunizieren durch Baustellen auf den ersten Blick natürlich am gravierendsten, weil am wenigsten stattfindet, aber: Es ist zumindest eindeutig, die Message kommt rüber: "Da ist nichts!" Man weiß sofort, was zu tun ist: Selbstzufriedenes Blabla oder verklausuliertes Expertendeutsch ist hinterhältiger, denn es erzeugt die Illusion von Information, wo eigentlich keine ist. So stochert man dann lustlos im PR-Müll herum, quält sich durch unverständliche Informationen und verliert noch so einiges an Zeit - bis man dann endlich bemerkt, daß man genasführt wird. Und für die Bewältigung dieser Situation gibt es im Web einen ebenso einfachen wie wirkungsvollen Trick: die Aufnimmerwiedersehenflucht zu - hoffentlich - besseren Angeboten.
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Wie man Fehler findet: Übersetzen in Dialog

Weitere Fehler beim Kommunizieren oder nicht-Kommunizieren kann man ganz leicht mit einer Technik verdeutlichen, die ich als "Dialogtest" bezeichne. Ich habe sie gerade eben schon einige Male angewendet. Der Grundgedanke: Alles, was im Web geschieht daraufhin untersuchen, ob es als Botschaft aufgefaßt werden könnte, und wenn ja, diese... 

  • sprachlich beschreiben (oft werden sie erst dann richtig sichtbar), 
  • und/oder möglichst direkt in eine natürliche Kommunikation übertragen
  • auf ihre Angemessenheit prüfen
Die Übersetzung ist geglückt, wenn man eine Phrase oder Formulierung findet, die einem natürlichen Dialog entspricht, daher der Name "Dialogtest" (ich konnte der Versuchung widerstehen, sie "Talking-Check" zu nennen). Sie ist nicht immer leicht, denn Kommunikationsfehler werden nicht vorsätzlich gemacht, niemand posaunt seine Inkompetenz offen heraus. Die meisten Verantwortlichen bemerken sie nicht einmal, so daß man sie zwischen den Zeilen wahrnehmen und "herausfischen" muß (hierauf bin ich im vorigen Artikel dieser Reihe schon eingegangen). Hierbei kann ein Dialogtest wertvolle Dienste leisten, und wenn man sich die Technik einmal zu eigen gemacht hat, trifft man auf erstaunliches...

Wenn die Übersetzung gelungen ist, gibt es oft nicht mehr sehr viel zu prüfen, denn wir haben eigentlich ein sehr gut trainiertes Gespür für Kommunikationsregeln (das im Web allerdings leicht von gifs und Pixeln und Flashs und Javas betäubt wird). So entlarven sich die Fehler dann meistens von selbst. Hierzu einige einfache Beispiele:
 
 

Element(e) Übersetzung in Dialog
E-Mail Formular, in welchem Adresse, Telefonnummer und Beruf angegeben werden müssen. Wir sprechen nicht mit Ihnen, wenn Sie uns nicht einiges über sich mitteilen, das wir verwerten können.
Nur eine einzige anonyme E-Mail Adresse auf der Site, z.B. "info@" Hier gibt es nur einen Briefkasten, keinen Menschen, der für sie zuständig ist.
Hochauslösende Grafik auf der Startseite ohne jeglichen relevanten Inhalt. Die Ausschmückung unseres Web-Auftritts ist wichtiger als Ihre Zeit. 
Übertrieben originell formulierte Links, deren Bedeutung völlig nebulös bleibt. Wir sind kreativ, und wir möchten, daß Sie das gleich sehen. Funktionalität (und Ihre Ziele) ist nicht wichtig.

 
Wenn Sie den vorigen Abschnitt dieser Artikelreihe gelesen haben, wird Ihnen auffallen, daß diese Technik vor allem Beziehungsbotschaften zutage fördert. Das ist so völlig richtig und auch gewollt, denn hier werden die meisten Fehler gemacht - und übersehen. Experimentieren Sie ruhig einmal mit dieser Technik. Es lohnt sich

 
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Kommunikation (1): Die fehlende DimensionKommunikation (3): Wörter und Bilder

 
© Dr. Thomas Wirth Kommunikationsdesign - eMail: thomas.wirth@kommdesign.de
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