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Artikel 16 von 34

KommDesign.de — Texte — Kommunikation (3)

Über Wörter (und Bilder)

Woraus ist das Web gemacht? Ein Gedankenexperiment
Warum Wörter wichtig sind: Links
Warum Wörter noch wichtiger sind: Kommunikation
Wofür dann überhaupt Bilder?

 
   

Vieles im Web wird aus Bildern gemacht. Es gibt allenthalben Grafiken, Buttons, Icons, Animationen, Farben und Symbole. Begriffe wie "grafisches Interface" oder "multimedial" dominieren das Denken der Gestalter/innen, und entsprechend viel Zeit, Geld und Mühe wird darauf verwendet, Bilder zu entwerfen und immer professioneller und schöner und aufwendiger zu gestalten. Jeder sehnt den Zeitpunkt herbei, an dem die geringen Bandbreiten, die derzeit noch verhindern, daß die letzten Hemmungen fallen, endlich weiter werden. Könnten doch Bilder und Animationen endlich verzögerungsfrei in beliebigem Umfang übertragen werden, dann wäre vieles besser, dann könnten wir endlich optimal arbeiten! Und die Wünsche scheinen in Erfüllung zu gehen. "Flash" als stark grafik- und animationsorienierte Technologie gewinnt gegenüber dem drögen Sprach-Text-HTML immer mehr an Boden, die Zukunft ist nah.....

Und dann gibt es da noch diesen unsäglichen halbwahren Spruch, der sich tief in den Gehirnen der Laien-Entscheider eingenistet hat, und der sie jede grafische Unsinnskröte schlucken läßt:
   

"Ein Bild sagt mehr als tausend Worte". 

Man weiß ja wenig über das Medium, noch weniger über Kommunikation und am wenigsten über die Gewohnheiten und Bedürfnisse der Benutzer/innen, aber daß ein Bild mehr sagt als..., das ist doch klar! Das hat Großvattern schon gesagt, und deshalb stimmt's, punktum! Dann können wir hübsche barocke Bildlandschaften inszenieren und brauchen uns nicht daran stören, wenn sie mit langweiligem Gestammel garniert sind. Überlegen Sie: eine Website mit 35 Bildern sagt mehr als 35.000 Worte - das ist höchst sparsam!

Aber nein. So ist es nicht. Im Gegenteil: Bilder sind verzichtbar. Sie sind praktisch, nützlich, schön und gut, erforderlich sind sie nicht - und tausend Worte können sie schon gar nicht ersetzen. Sehr viele wichtige Wörter können nicht einmal bildlich dargestellt werden. Nehmen wir einmal die Wörter dieses Absatzes. Welche Bilder fallen Ihnen zu den Begriffen "verzichtbar, praktisch, nützlich, gut, erforderlich, tausend, ersetzen, gar nicht" usw. ein? Ich habe da so meine Mühe.
 

 
 
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Woraus ist das Web gemacht? Ein Gedankenexperiment

Machen wir ein kleines Gedankenexperiment: Ein speziell ausgebildeter Virus zerstört alle Bilder, die es im gesamten Web gibt, alle gifs und jpegs verschwinden auf einen Schlag von der Bildfläche. Würde der Rest nun noch funktionieren? Ich würde sagen: ja. Vieles wäre häßlicher, Bedienungselemente, die alleine auf Grafiken aufbauen (z.B. Imagemaps), wären ausgeschaltet, das Fehlen erklärender Grafiken würde Lücken in die Inhalte reißen, aber: die meisten Informationen und das Netz selbst wären noch vorhanden - mit Sinn und Zweck. Und die Umkehrung? Könnte das Web ohne Wörter auskommen? Kehren wir noch einmal zum Ausgangzustand unseres Experiments zurück und entfesseln einen neuen Virus, der diesmal die Texte aus dem Internet frißt und nur gifs und jpegs übrigläßt. Und nun wieder die Frage: Würde der Rest noch funktionieren? Nein, das ist völlig unmöglich, ausgeschlossen. Ohne Wörter ist das Medium nicht denkbar, es wäre eine Ansammlung bunter Schnipsel, ohne Zusammenhang, ohne Informationswert. Selbst wenn einige Bilder noch informativ bleiben würden, ohne Kontext, ohne ein umgebendes Skelett von Bedeutungen - welches immer durch Kommentare und Texte geschaffen wird - wären sie wertlos. Kaum jemand könnte das verbliebene Bild-Sammelsurium nutzen. Ohne Texte, ohne Sprache also, wäre das Web zum Untergang verurteilt: 
 

 
 
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Warum Wörter wichtig sind: Links

Und auch die Elemente, die das Web überhaupt erst zu dem machen was es ist, eben einem Informationsnetz, sind wiederum Wörter. Gemeint sind - natürlich - die Links. Sie haben zwei Funktionen, nämlich einerseits die Erwartungen der Benutzer/innen präzise zu steuern: "Wenn Du auf mich klickst, wirst Du dorthin gelangen", andererseits aber auch zum Klicken zu motivieren: "Wenn Du auf mich klickst, wird es Dir nützen". Wenn ein Link eine dieser Funktionen nicht erfüllt, bleibt es möglicherweise ungeklickt - und damit bleibt... 

  • die Information ungesehen, 
  • der Text ungelesen, 
  • das Produkt ungekauft, 
  • die Mail ungesendet, 
  • der Kontakt ungeknüpft. 
Bilder können Text-Links unterstützen, z.B. indem sie Bedeutungen präzisieren oder visuelle Aufforderungsreize senden, aber niemals vollständig ersetzen. Auch hier gilt wieder: Das Problem der Navigation im Web wäre ohne Icons leichter zu lösen als ohne Wörter, also sprachlich etikettierte Links. Wir können das leicht im Selbstversuch testen, indem wir das Gedankenexperiment aus dem vorigen Abschnitt wiederholen. Begeben wir uns also einmal auf einige Websites, und denken wir uns die sprachlichen Informationen aus den Links der Hauptnavigation einfach weg. In den meisten Fällen werden wir nun völlig orientierungslos vor den bunten Gebilden sitzen. Und dies ist kein Zufall, denn natürlich sind die Rubriken einer Website "Inhalts"rubriken. Websites sind Informations- und Wissensspeicher, keine Filme, keine Spots, keine Comics, keine Dia-Show, keine Bildspeicher. Site-Rubriken müssen deshalb notwendigerweise mit Wörtern gekennzeichnet werden, denn unser Faktenwissen ist in Sprache kodiert. Es gibt zwar einige Bilder, die per Konvention bestimmte feste Bedeutungen tragen (Briefkasten = "E-Mail", Lupe = "Suchen"), dies sind jedoch im Vergleich zu den Milliarden von Wörtern, die die Surfer/innen zu den Inhalten im Web führen, vergleichsweise wenige. Die meisten Icons oder Bild-Links sind ohne ein Label oder einen zusätzlichen Kommentar nicht zu verstehen.
 
 
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Warum Wörter noch wichtiger sind: Kommunikation

Beim bewußten Denken entsteht eine Stimme in unserem Kopf, die man "innerer Monolog" nennt. Diese Stimme, die Anweisungen gibt, kommentiert (und gelegentlich auch ganz schön penetrant sein kann), ist irgendwo im Inneren des Kopfes zwischen unseren Ohren, hinter der Nasenwurzel lokalisiert. Beim Lesen "hören" wir diese innere Stimme ebenfalls (z.B. hören Sie als Leserin oder Leser gerade jetzt die Wörter dieses Artikels), und auf einer Website spricht sie für den oder die Betreiber. Es entsteht sozusagen ein Dialog. Dieser ist zwar einseitig, denn natürlich kann ein/e Leser/in den/die Autor/in eines Textes nicht unterbrechen oder das Gelesene unmittelbar kommentieren, trotzdem: Die Qualität der Beziehung im Kontakt mit einer Website wird ganz entscheidend dadurch bestimmt, was die Stimme in unserem Kopf als Stellvertreter des Betreibers zu uns "sagt".

Wenn die sprachliche Gestaltung Ihrer Site also z.B. trocken, unpersönlich, humorlos ist, sprechen Sie eben so mit Ihren Besucher/innen: trocken, unpersönlich und humorlos. Eine lebendige, persönliche, abwechslungsreiche Sprache wirkt im wahrsten Sinn des Wortes ansprechend und sympathisch. Hierzu ein kleines Beispiel: Die gleichen Aussagen einmal unpersönlich, einmal in einer Formulierung, die einem natürlichen Dialog entspricht. 
 
 

Beschreibend Dialog-ähnlich:
Das Produktangebot der Firma X zeichnet sich durch eine hohe Anwenderfreundlichkeit aus. Wir legen Wert darauf, daß Sie unsere Produkte leicht bedienen können.
Die Firma X begrüßt Ihre Kunden und auf ihrer Website.  Wir begrüßen Sie auf unserer Website.
Das Internet-Team hofft, den Kunden der Firma X interessante Informationen und optimalen Service bieten zu können. Wir möchten Ihnen gerne interessante Informationen und optimalen Service bieten.

 
Auch deshalb sind Wörter also ein top-Thema, wenn es um die Gestaltung von Websites geht. Und vieles liegt im Argen, weil sie vernachlässigt werden. Vielleicht liegt es daran, daß sie gar so einfach herzustellen sind. Man braucht nur auf einige Tasten zu klappern, und schon sind sie da - kinderleicht, das kann jeder. Und oft kann man sie sogar aus schon vorhandenem Material übernehmen, kein Konvertieren, kein Komprimieren, kein Vergrößern/Verkleinern, kein Scannen, keine Farbtiefe, keine Ästhetik, alles ganz einfach. Hopp, und 'rauf damit auf die Site. 

Aber das ist natürlich grundfalsch, denn Wörter müssen nicht nur geschrieben, sondern zuerst einmal - Verzeihung - gedacht werden. Die hiermit verbundenen Investitionen an Anstrengung und Zeit (und natürlich auch Geld) werden allerdings vielerorts zugunsten der cooleren Grafik eingespart. Redesign, das heißt oft "bessere Bilder" oder auch "mehr Bilder", nur selten "bessere Wörter" oder "bessere Ideen und Inhalte".

 
 
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Warum dann überhaupt Bilder?

n der Einleitung zu diesem Beitrag habe ich behauptet, Bilder seien im Web nicht zwingend erforderlich, und das Ergebnis unserer Gedankenexperimente zeigt (zumindest für mein Urteilsvermögen), daß dies so stimmt. Ich bin aber kein Bilderfeind, ganz im Gegenteil: Bilder...

  • ...sind - richtig eingesetzt - wirksame Werkzeuge der emotionalen Kommunikation. 
  • ...sorgen für eine angenehme Atmosphäre und ein positives Produktgefühl. 
  • ...tragen dazu bei, viele ergonomische Probleme besser zu lösen. 
  • ...taugen vorzüglich als Lehrmedium, d.h. sie stellen komplexe Sachverhalte u.U. sehr viel kompakter und effizienter dar als ein Text. 
  • ...schaffen bleibende Eindrücke, denn das Gedächtnis für Bilder ist sehr viel leistungsfähiger als das Gedächtnis für Text. 
Nur: es müssen eben gute Bilder sein. Ein gutes Bild ist nicht einfach nur da, weil es da ist oder weil man üblicherweise "sowas" macht oder weil's hübsch aussieht. Es hat einen Sinn, also: Es hat eine Funktion oder macht eine Aussage (das gleiche gilt, nebenbei bemerkt, auch für Texte). 
  • Ein Firmenlogo ist ein gutes Bild, und es gehört ganz selbstverständlich auf eine Website um Corporate Identity zu kommunizieren. 
  • Eine rotierende Weltkugel ist ein schlechtes Bild, denn es ist ein Stereotyp, das man überall sieht, ohne echten Informationswert (...world-wide?), oftmals sogar irreführend (was ist denn z.B. an einer kommunalen Homepage oder der Site eines Internet-Providers "world-wide?"). 
  • Ein Bild eines Ansprechpartners auf einer Seite mit E-Mail Adressen ist ein gutes Bild, denn es erleichtert Kommunikation (ich werde z.B. oft aufgrund des Bildes auf meiner Site erkannt und gefunden), und es stellt eine persönliche Atmosphäre her. 
  • Eine horizontale Linie in Regenbogenfarben mit animiertem Glanzlicht ist ein schlechtes Bild, denn es hat einen ablenkenden Effekt (vgl. hierzu den Beitrag "Warum Animationen schlecht sind") und seine ästhetische Aussage ist langweilig. 
  • Ein Icon zu einem Shopbereich, auf welchem Beispiele von Produkten zu sehen sind, ist ein gutes Bild, denn es transportiert Bedeutungen, die die Sprache ergänzen und den Benutzer/innen eine sichere Orientierung ermöglichen, vielleicht auch das Lesen ersparen. 
  • Hintergrundgrafiken sind schlechte Bilder, denn in den meisten (sagen wir, 99 von 100) Fällen wird durch sie das Lesen der Texte erschwert.
Fazit: Auf Bilder zu verzichten wäre genauso falsch wie die derzeit häufig anzutreffende Strategie, die eigene Sprachlosigkeit durch Wucherungen von Grafik und Animation zu tarnen. Und über Bilder sollte man erst dann entscheiden, wenn über die Inhalte entschieden ist. Grafik kann dann ein sehr wirksamer "Mörtel" sein, der die eigentliche Substanz, nämlich Aussagen, Ideen und Texte, zusammenhält. Wer nur Mörtel verwendet - und sei er auch noch so fein angerührt - kann damit nichts Rechtes bauen.
 
 
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© Dr. Thomas Wirth Kommunikationsdesign - eMail: thomas.wirth@kommdesign.de
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