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Artikel 40 von 44
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KommDesign.de Galerie schlechter
e-Commerce
Die Bank auf meinem Nachttisch |
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Die folgende Geschichte hat eine einfache
Moral: Wer seinen Kund/innen für den Weg auf die Milleniums-Datenautobahn
eine Machete in die Hand drückt, muß sich nicht wundern,
wenn's mit dem Online-Geschäft schleppend vorangeht. Wenn
das Ding dann nicht nur stumpf, sondern der Griff auch noch
aus morschem Holz ist...
Was macht das denn für einen Eindruck, wenn
man allen Leuten vom Internet erzählt und Banküberweisungen
immer noch auf Papier schreibt (mit Tinte!) oder in freundlich
gepanzerte Terminals Marke "Kundenkönig" eintippt... Also:
Online-Banking! Mein Privatkonto bei der ortsansässigen Sparkasse
schien mir das ideale Experimentierfeld für dieses Vorhaben.
Es handelt sich dabei nicht um eine Großbank, auch nicht
um eine Kleinkreditklitsche, sondern um eine mittelständische
Bank mit einer Bilanzsumme von 2.5 Milliarden DM und 350 Mitarbeitern
in 22 Geschäftsstellen - so viel Information gibt die Website
immerhin her.
Da dieses mit einem imposant spiegelnden Gebäude
versehene Unternehmen jede Gelegenheit nutzt, sich als innovativ
und kundenorientiert zu preisen (Slogan: "leistungsstark und
kompetent"), stellte ich also vertrauensvoll einen Antrag
auf Teilnahme am Online-Banking, im Originalton: "Vereinbarung
über die Teilnahme am Online-Banking mit PIN und TAN"
einschließlich "Zusatzvereinbarung zur Vereinbarung über
die Teilnahme am Online-Banking per PC-Zugang über Internet".
Das klingt schlimmer als es - zunächst - war: einige Formulare,
der übliche Papierkram eben. PIN und TAN sind übriges
nicht die lustigen Sparkassen-Pandas ("Gib's Taschengeld zu
PIN und TAN, die wissen wie man sparen kann!"), sondern die
Abkürzungen für "Persönliche Identifikations-Nummer"
und "TransAktions-Nummer".
In der Folge trugen sich dann Geschehnisse
zu, über die ich erst jetzt, einige Zeit später, frei
sprechen kann. Eine vollständige Schilderung der Ereignisse
würde allerdings den Umfang einer Internetseite sprengen,
ich muß mich deshalb auf einige Highlights (oder nennen
wir es "Darklights") beschränken. Wenn Sie mehr erfahren
möchten, stellen Sie doch einfach selbst einen Antrag bei
Ihrer Bank, ich bin sicher, wir können dann bald eine Selbsthilfegruppe
für Online-Banker aufmachen.
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Das Drama beginnt mit einem harmlos
aussehenden Umschlag, den ich eines Morgens in meinem Briefkasten
finde. Der Inhalt: zwei Installationsdisketten mit der Beschriftung
"Sparkassen - Sicherheits - Modul" eine Informationsbroschüre
und eine farbenfrohe Zettelsammlung.
Lassen Sie uns doch einmal die Informationen sichten: Der graue
Zettel...
...klärt mich darüber auf, daß ich eine
Anschlußkennung in den Voreinstellungen meines BTX-Decoders
eingeben muß und läßt sich auch sonst
nicht von der Überzeugung abbringen, ich wolle mich
mit BTX onlinen. (BTX? War das nicht so eine Technologie,
aus der Kreidezeit?). Immerhin läßt er mir
zum Schluß noch eine Chance: "Sollten Sie vom
Datex-J auf unsere Container-Lösung gewechselt sein,
so können Sie jetzt mit dem Homebanking beginnen."
Ich bin zwar nicht von Datex-J (was zur Hölle ist
das?) auf die Container-Lösung gewechselt, in meinem
Hinterkopf glimmt aber eine Erkenntnis auf: Das muß
ein Mißverständnis sein, die haben mich gar
nicht fürs Banken und Onlinen via Internet vorgesehen!
Ein Blick auf die herausgekramten Formulare belehrt mich
allerdings eines besseren. Da steht ganz eindeutig "Internet",
schwarz auf weiß und gleich mehrfach.
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Das war nichts. Also weiter. Der gelbe Zettel...
...schwadroniert allerumständlichstenstents
von TAN-Listen und Folge TAN-Listen (zum Glück bin
ich noch Kunde bei einer Direktbank und weiß also,
was das bedeutet) und klärt mich nebenbei darüber
auf, was man bei T-Online (bin kein T-Online Kunde) "StarMoney"
(habe ich nicht) "Firm1.4, 1.5x (habe ich nicht)
und 1.6x" (habe ich nicht) machen muß,
um neue TANs zu aktivieren. Da sich die Anweisungen dort
im Kern auf ein "RTFM" beschränken und das Wort
Internet nicht ein einziges Mal vorkommt, schlußfolgere
ich, daß ich auch diesen Wisch wegschmeißen
kann. ("RTFM", das ist einer dieser praktischen englischen
Sprachbrühwürfel, den man als Brühwürfelkenner
mühelos in "Read The Fucking Manual" auflösen
kann).
Aber halt! Der gelbe Zettel erklärt da noch abschließend
mit warnendem Unterton, "Bei sonstiger Software kann
die automatische Aktivierung zu Problemen führen,
da die Steuerungsparameter nicht immer übereinstimmen".
Oh! Das macht mich jetzt betroffen. Ist mein Browser "sonstige
Software"? Und: hat er "Steuerungsparameter"? Wenn ja,
wo? Und: ist das gefährlich...? Hierzu schweigt der
gelbe Zettel allerdings - heimtückisch.
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Meine Zuversicht (als echter Power-User
habe ich ja bis heute noch jedes Installationsproblem früher
oder später geknackt) beginnt etwas zu bröckeln - ganz
zu schweigen von meiner guten Laune. Nun lockt mich die in feschem
Sparkassen-Rot verzierte Broschüre...
WIR HABEN
EINE FILIALE GANZ IN IHRER NÄHE ERÖFFNET:
AUF IHREM NACHTTISCH
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...mit dem Bild eines
halb entkleideten Dressman, der auf einem Bett liegt und
seligen Schlaf vortäuscht. Damit's zum Slogan paßt,
tut er obendrein noch so, als habe er wirklich einen Computer
auf dem Nachttisch. Aber natürlich, wo denn auch sonst,
haben Sie Ihren etwa auf dem Schreibtisch? (Haha!)
Bei der Inspektion des Inhaltsverzeichnisses beschleicht
mich dann wieder dieses merkwürdige Gefühl,
daß wir - die Sparkasse und ich - in verschiedenen
Realitäten leben. "Was bietet
T-Online " und "Kontoführung
in T-Online" wird mir da zuerst offeriert (irgendwie
scheinen die eine ausgesprochene Schwäche für
T-Online zu haben...) aber dann kommt's endlich! "Installationshinweis,
Seite 6". Dort werde ich aufgeklärt, daß
ich "innerhalb kürzester Zeit
mit der Sparkasse verbunden" sei, "sozusagen
im Handumdrehen. Eben im wahrsten Sinn des Wortes anwenderfreundlich."
Na also.
Die Broschüre brabbelt auch gleich fröhlich
weiter. "Den Software-Decoder installieren
Sie innerhalb weniger Minuten" Hmm, Software-Decoder...?
Aber die Broschüre läßt sich jetzt nicht
mehr bremsen: "...Modem einfach
an die serielle Schnittstelle Ihres PC anschließen
und das Telekommunikationskabel in die Telefonanschlußbuchse
direkt neben dem Telefonstecker einstecken". Da
steckt es bei mir ja schon seit einiger Zeit, aber die
Broschüre hat nicht unrecht, es gibt ja genügend
Leute, die eben erst anfangen mit dem Internet. "So
einfach ist das!"Prima. So einfach also. Dann blättere
ich um und es geht zur Sache: "Über
die Anwahl der Telefonnummer 01910 im Ortsnetz gelangen
Sie auf die Begrüßungsseite des T-Online-Systems
von Telekom." Und danach beschreibt die anwenderfreundliche
Broschüre Vorgänge, die merkwürdigerweise
ganz ohne Browser stattfinden, und das Wort Internet kommt
- Sie haben es geahnt? - wieder nicht vor. Der Rest der
Broschüre ist eher noch verwirrender - abgesehen
von den fettgedruckten Slogans wie "Immer gut informiert"
oder "Damit alles seine Ordnung hat". Die machen
Mut!
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Summa summarum muß ich eingestehen,
daß ich nun weniger weiß als zuvor - so ähnlich
wie bei einer Gehirnwäsche. Bevor ich die Broschüre aus
der schweißnassen Hand - lege, schaue ich mir das Bild von
dem schlafenden Adonis auf dem Titel noch einmal an und bemerke
erst jetzt die Ringe unter den Augen und die fahle Haut. Aber natürlich,
der Mann ist ja bewußtlos! Wahrscheinlich hat er sich gerade
an einem Online-Banking Infopaket der Sparkasse die Zähne ausgebissen.
Aber noch ist Hoffnung, denn es gibt da noch den...
...grau-weißen
Zettel, der sich allerdings bei genauerer Inspektion als
Produktkatalog für prima Sparkassen-Software entpuppt.
Da gibt es Verlockungen, wie "BTX-Container", T-Online(...was
sonst?), "Starmoney", "Verein2000" und "Optional:
Modul Dispo...", alles Dinge, die mir nicht nur völlig
unbekannt sind, ihr Verwendungszweck bleibt auch völlig
im Dunkeln, und: Ich möchte ganz eindeutig nichts mit
ihnen zu tun haben - NICHTS!! |
In meiner Verzweiflung wende ich mich jetzt endlich dem grünen
Zettel zu, und der ...
...klärt mich auf,
daß ich "Installationshinweise für die Installation
der Sicherheitssoftware SSL-Client auf der Homepage der
Sparkasse" finde. |
Ich weiß immer noch nicht, was ein "SSL-Client"
ist, und auf den Disketten steht auch gar nicht "SSL-Client"
sondern "Sparkassen-Sicherheits-Modul" und die Installationsanweisungen
für eine Offline-Installation von Diskette würde ich
auch lieber offline lesen. Aber es scheint mir wirklich nichts
anderes übrig zu bleiben, als mich auf die Homepage der
Sparkasse zu begeben. Mit welchem Zweck man dieses Infomaterial
überhaupt auf mich losgelassen hat, bleibt mir bis heute
ein Rätsel. Dem Anschein nach verfolgt die bunte Zettelbande
jedenfalls das Ziel, die Kunden ins Koma zu informieren, um
sie dann meuchlings zu T-Onlinen.
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Um meinen Leserinnen und Lesern nicht
zu viel zuzumuten, muß ich an dieser Stelle die Darstellung
raffen. Es geschehen noch viele, andere wunderbare Dinge. Das Sparkassen
- Modul kopiert sich in ein temporäres Verzeichnis der Festplatte,
wo dann hinterrücks die eigentliche Installation aufgerufen
werden muß. Daß das so ist, merkt man erst, nachdem
man überflüssigerweise schon ein Verzeichnis angelegt
hat. Beim Import des Browser-Zerifikats findet man sich wiederholt
an einem lichtlosen Ort, wo ein Wesen namens "Mozilla" sein Unwesen
treibt: "Mozillas Zertifikat-Bude". Dort muß man sich
lustige Namen für Zertifikate ausdenken, deren Sinn und Zweck
man sich nicht einmal ansatzweise vorstellen kann, diese Namen dann
in ein Formular eintragen - und feststellen, daß ein Klick
auf die "Weiter"-Taste stracks wieder in die haarigen Arme von Mozilla
zurückführt. Hieran bin ich im ersten, zweiten und dritten
Anlauf endgültig gescheitert. Wie es mir schließlich
doch noch gelungen ist, mich aus der Umklammerung zu lösen
und das System zum Funktionieren zu bringen, weiß ich nicht
mehr. Immerhin kann ich mich erinnern, daß es nichts mit den
Instruktionen auf der Website zu tun hatte - meine Erinnerungen
verschwimmen in diesem Punkt.
Ein Gutes hatte die Sache dann doch. Ich habe meinen Top-Favoriten
in Sachen Konfusionstechnik in der Benutzerführung entdeckt:
Vor derart schön und einfach gestalteten Botschaften ("Bitte
beenden Sie...") kann man eigentlich nur verweilen
und in stiller Andacht lauschen, ein Geschenk, ein Naturschauspiel,
wie ein Regenbogen...
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Aber auch die anderen Instruktionen
sind nicht von Pappe und "im wahrsten Sinn des Wortes anwenderfreundlich...".
In der Tat, das sind sie. Diese etwa:
Na los, klicken Sie auf "Fertigstellen", versuchen Sie es! Oder
nehmen wir diese, die man in der Sektion findet, welche Menschen
wie mir, die über einen "Proxy-Server" ins Web gehen, bei
der Installation sehr zuvorkommend und kompetent assistiert:
Tja, da kann man eigentlich nicht widersprechen. Allerdings,
wenn Sie mich fragen, fehlt hier mehr als nur Text für den
Proxy....
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