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Artikel 29 von 44
KommDesign.de — Galerie — schlechter Empfang

Eine echte Profiarbeit
 
Was machen die Riesen der Wirtschaft, wenn sie eine Website brauchen? Sie angeln sich die gefräßigsten Haie aus dem Meer der Agenturen und lassen sie in einem mit feinster Auslegware gepolsterten und dezent abgedunkelten Kampfbecken gegeneinander antreten. Das ist ein vernünftiges Auswahlverfahren, denn in der Wirtschaft ist es ja auch so: nur der Stärkste überlebt. Aber die Haie sind auch nicht dumm. Sie... 
  • ...betäuben Ihre Beute mit völlig unverständlichem Techno-Slang ("volle 99% connectivity, Optimierung von META-Tags, Shockwave Plug-in"), 
  • ...erarbeiten visuelle Konzepte, in welchen die Fetische der Auftraggeber  - z.B. imposante Firmengebäude oder sterbenslangweilige Produkte - allenthalben großformatig zu sehen sind, 
  • ...denken sich quasi-reale Szenerien aus, um den Anschein von Benutzerfreundlichkeit zu erwecken ("Schauen Sie mal hier, Herr Dr. Ahnungslos, wie in einem Ladengeschäft, das verstehe ja sogar ich - haha!"), 
  • ...versehen die Demo-Seiten mit einem brandheißen 3-D Navigatronik Effektivitätsdoppler (der muß ja nicht funktionieren und verstehen tut das ohnehin niemand),
  • ...projizieren die ganze Bescherung von einem schnellen Rechner aus in Sekundenbruchteilen in die Augen Ihrer arglosen Opfer ("Im Internet dauert das ein klein wenig länger, aber wir haben es ja alle eilig, nicht wahr?"). 
So kann man sich sicher sein, daß das Ergebnis einigermaßen grauenhaft ausfällt. Warum? Weil die Haie eben den Auftrag erbeuten möchten, und den vergeben nicht die Verbraucher, sondern Herr Dr. Ahnungslos und seine Crew.
 
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Das hier gezeigte Beispiel ist mit Sicherheit das Ergebnis einer solchen Schlacht, und ich wette, die siegreichen Haie (es muß ein ganzes Rudel gewesen sein) haben einen sechsstelligen Betrag dafür verschlungen. Es stammt aus der Website des Pharma-Riesen HOECHST, der mittlerweile nach einer Fusion "AVENTIS" heißt.

Was geschieht also? Man könnte es einfach sagen: zunächst einmal gar nichts, und deshalb ist dieses Beispiel auch in der Rubrik "schlechter Empfang" gelandet. Ich muß allerdings zugeben, "gar nichts" ist etwas übertrieben und gilt nur, wenn man dabei an informative, nützliche, interessante, kommunikativ wirkungsvolle Dinge denkt. Eigentlich passiert ja schon etwas, nämlich: "Java wird gestartet". Das bedeutet für mich immer: Zeit zur inneren Einkehr (eine Wohltat in unserer hektischen Zeit) und in diesem speziellen Fall: konzentrierte mentale Vorbereitung auf das Online-Angebot von Hoechst. Nach 30 Sekunden Meditation sieht der Bildschirm etwa so aus:
(Screenshots vom 26.10.1999)


...das beginnt vielversprechend. 

 
 
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Nach weiteren 30 Sekunden...

(Screenshots vom 26.10.1999)

... bekommt der/die Besucher/in zwar noch keine Informationen, aber immerhin schon einen Eindruck, wie ordentlich hier alles aufgeräumt sein wird. Kästchen neben Kästchen, schön aneinander und untereinander. Bestimmt ist in den Kästchen etwas drinnen? Nun seien Sie doch nicht so ungeduldig! In meiner persönlichen Nomenklatur schlechter Online-Auftritte gehört diese spezielle Technik übrigens in die Kategorie "Adventskalender" - wo mag's Jesuskind wohl sein? 

Bei relativer Leere im Browser blickt man ja unwillkürlich häufiger auf die untere graue Statuszeile - nicht zuletzt um zu kontrollieren, daß die Verbindung überhaupt funktioniert. Und dort ist bei Hoechst ganz schön was los. Hier sehen Sie eine kleine Sammlung der Informationen, die hier für die gelangweilten Besucher bereitgehalten werden:
 

Da kann man nur staunen.

 

Es dauert trotz ISDN schließlich mehr als 4 Minuten bis sich Hoechst in seiner ganzen Umständlichkeit eingekästelt hat. Eine abendliche Kontrollmessung (Grafiken im Zwischenspeicher) ergab 2,5 Minuten, ein Umschalten von der englischen auf die deutsche Version 2 Minuten, die kürzeste gemessene Ladezeit: 70 Sekunden. Wenn man bedenkt, daß zehn Sekunden Warten Benutzer/innen in ihrem Handeln bereits aushebelt, sind das beachtliche Leistungen, die einen Weltkonzern wie Hoechst im Wettbewerb gut aussehen lassen. Bei ausländischen Gästen wird sie sicherlich auch als Empfehlung für den Standort Deutschland gut ankommen. Im Grunde kann man sich aber nicht beschweren, überlegen Sie doch einmal, wie lange Sie mit dem Auto fahren müßten, bis Sie die reale Hoechst AG - in Frankfurt, glaube ich - erreicht hätten. Das könnte ja Stunden dauern! Aber irgendwann hat hoechst.com dann doch fertig gekreißt, und wir dürfen uns genauer umsehen.

 
 
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Da loadet zwar immer noch etwas, der Rest sieht aber eigentlich ganz hübsch aus. Vor allem die strohbehütete Dame mit dem liebreizenden Lächeln hat es mir angetan - für solche Grübchen wartet man doch gerne. Übrigens verheizen die Haie der Hoechst AG, wenn ich mich nicht verzählt habe, 6 URLs, um diesen - Verzeihung - Rohrkrepierer zu zelebrieren. Da kommt man sich mit seiner lächerlichen "index.htm" ja vor wie ein Zwerg. Andererseits: ist es in der Realität nicht auch so? Hoechst hat sicherlich einen eigenen Straßenzug und eine Hausnummer so in der Kategorie 1-28. "Blütenweg 4" ist keine Adresse für einen Weltkonzern. Warum sollte das im Web anders sein?

Immerhin ist aber schön zu sehen, daß Hoechst höchstselbst sich höchst wohlfühlt. Das belegen Verlautbarungen wie diese:

Was da "even faster on a real-time basis" gewesen sein sein soll, übersteigt meinen Verstandeshorizont. Und dann gibt es natürlich noch die mit verhaltenem Stolz präsentierten Awards, die uns vorgaukeln, das hier alles in Ordnung ist - und jeden Widerspruch schon einmal vorbeugend im Keim ersticken. "Aber ich bitte Sie, Herr Dr. Ahnungslos, was als "Citizen 1 HIT Biotech/Pharma Website" geführt wird, kann doch nicht schlecht sein. Und Sie möchten doch nicht im Ernst dem "Dow Jones Business Directory" widersprechen......??" Na also.

Dem einen Award - in der Mitte oben - war wohl gerade schlecht geworden. Kann ich ihm nachfühlen.

 
 
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© Dr. Thomas Wirth Kommunikationsdesign - eMail: thomas.wirth@kommdesign.de
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