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Artikel 36 von 44
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KommDesign.de Galerie schlechte
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Das Gewinnspiel |
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In einer modernen Dienstleistungsgesellschaft
müssen Gewinnspiele sein, denn diese wirken - wie jedermann
weiß - nicht nur ungemein förderlich auf Verstand und
Konzentration, sondern auch auf Images und Umsätze. Letzteres
sichert wiederum Arbeitsplätze und stärkt die Kaufkraft
der Bevölkerung, die Wirtschaft blüht und hat ausreichend
Mittel, z.B. zur Entwicklung von Gewinnspielen.
Und spätestens seit es das Moorhuhn gibt, wissen wir, dass
Internaut/innen für spaßige Spielchen besonders anfällig
sind. Ein gepflegtes Gewinnspiel gehört also zur Standard-Bewaffnung
einer Website, die etwas auf sich hält. Das hat man auch
beim Otto-Versand ganz richtig verstanden, und gleich die Konsequenz
gezogen. Die Leiter/innen der neuen Medien riefen nach kurzer
Absprache mit der Konzernleitung Web-Teams, Content-Manager und
-innen sowie die Leute aus der Marketingabteilung und der Hausagentur
zusammen, und gemeinsam wurde als super - interaktiv - mediengerecht
- imagewirksam - verkaufsfördernde Kundenbindungsmaßnahme
ein Gewinnspiel developed (man könnte auch "ausdenken" sagen,
aber das klingt doch irgendwie billig, nicht?). Das Projekt wurde
dann als Beta-Version aufgelegt, in kürzester Zeit durch
die Gremien gejagt, abgenickt, die final version released und
gelauncht ...und ich Idiot bin voll darauf hereingefallen.
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Wie kam's? Ich war zu Recherchen in
Sachen Shop-Usability unterwegs, und es heißt ja nicht umsonst:
Erst mal seh'n was Quelle hat!
Während ich also bei der Quelle die vierschichtige Drop
Down Navigation des Katalogs mit gerunzelter Stirn betrachtete,
und Menüs munter auf- und wieder zuklappten, fiel es mir
auf:
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Die Quelle lockt gleich mit 4 Gewinnspielen! |
"Elche knutschen?" Nachdem die Moorhuhn-Hysterie ziemlich spurlos
an mir vorbeigegangen ist, wittere ich eine Chance, in Sachen
Internet-Spiel wieder Boden gut zu machen. Außerdem wird
mir ein wenig Zerstreuung gut tun. Also hole ich mir ein paar
belegte Schnitten und eine Kanne Kaffee, schalte das Telefon stumm
(es ist ja nichts schlimmer, als mit angelegtem Gewehr von einem
dringenden Geschäftsanruf gestört zu werden) und klicke...
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Gut, für ein Elcheknutschgewinnspiel
wird schon einiges zu laden sein, da sich das Warten lohnt, warte
ich geduldig. Nachdem es sich ausgeloadet hat...
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...erscheint dieser winterfeste Geselle
auf meinem Monitor, den ich in spontaner Zuneigung auf den
Namen "Holger" taufe. Was Sie nicht sehen können, was
aber meinerseits Anlaß zu großer Heiterkeit war
- Holger wackelt ganz fürchterlich mit dem Unterkiefer.
Aufklappen - Zuklappen, richtig lustig ist das! Und dann... |
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...erscheint dieses engelsgleiche
Kind und küßt Holger auf sein sabberndes Maul,
worauf sich (in der unteren Grafik sehr schön zu sehen)
ein flash-animiertes Herz aufbläht. Sonst passiert nichts,
das Ganze wiederholt sich in einer Endlosschleife. Ich erkenne
fachmännisch, dass das ein original skandinavisches Kind
sein muss. Warum? Weil es blond ist, und (noch wichtiger)
tatsächlich lebende Elche küßt. Holger ist
mir zwar spontan sympathisch, aber er hat mit Sicherheit einen
erbärmlichen Mundgeruch, und daran muß man gewöhnt
sein. Zum Glück habe ich an den Ton gewohnheitsmäßig
ausgeschaltet, sonst würde ich bei jedem Kuss einen lauten
"Schmatz" hören (es ist wirklich so, ich habe es später
ausprobiert). |
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In einer animierten Schrift wird dann noch eine
wertvolle Winter-Reise nach Lappland in Aussicht gestellt, die
mich nicht die Bohne interessiert. Die Details erspare ich
Ihnen hier, denn es geht mir ja nicht wirklich darum, etwas zu
gewinnen (mit einer Chance von 1 : 40.000), sondern ums Spielen.
Bisher hält sich meine Begeisterung allerdings in Grenzen.
Aber jetzt genug der Intro, jetzt geht's los,
jetzt geht's ans Spielen, ans Denken, Knobeln, Reagieren - und
Ausweichen. Sie glauben doch nicht im im Ernst, dass ich Elche
küsse? Wahrscheinlich geht es gleich darum, einem aufdringlich-kussmäuligen
Holger zu entkommen, dabei übermütig durch den Schnee
zu tollen, Schneebälle auf artig gekleidete skandinavische
Mädchen zu werfen, tückische Löcher im Eis zu erkennen
und - wer weiß - vielleicht eine Flinte anzulegen?
Das macht bestimmt Spaß!
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Hier ist sie also: Die knifflige und höchst interaktive
Aufgabe, die sich die Kreativen bei der Quelle für uns ausgedacht
haben:
Mmmh, da scheint es jemandem scheint nicht klar zu sein, dass
wir Internet-Nutzer/innen täglich Hunderte von Metern mit
der Maus zurücklegen, um irgendwelche verquasten Oberflächen
auf verborgene Links abzusuchen. Wer hier länger als 10 Sekunden
sucht...
Nein, Holger, keine Chance, meine Maus hat Dich gleich.
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Na also. Und jetzt tut es mir fast leid,
dass mein Mauszeiger kein Fadenkreuz ist, denn für so
eine erbärmliche Spiel-Idee gehört irgendjemand
erschossen. Und natürlich klicke ich jetzt nicht, denn
ich bin nicht hier, um ein Formular auszufüllen und keine
Reise nach Lappland zu gewinnen, sondern um Elche zu knutschen. |
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Wieder einmal werde ich den leisen
Verdacht nicht los, dass da irgendein/e Schlauberger/in eine Print-Idee
1 : 1 ins Web geklatscht hat. "Wir hatten doch da vorletztes Jahr
dieses Postkarten-Rätsel, in dem die Kunden einen Elch umranden
sollten - Das haben wird ja damals wegen dem jodelnden Weihnachtsmann
nicht realisiert. Wäre das nichts für unsere Website?"
Nein!
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Lassen wir noch einmal den Marketing-Profi
zu Wort kommen. Und der belehrt uns folgendermaßen:
"Der Sinn eines Gewinnspiels ist nicht, die Leute zu
unterhalten, sondern die Verlosung als solche an den Mann zu bringen.
Wenn man da intellektuelle Hürden aufbaut, verliert man Teilnehmer,
und deshalb sollte man Fragen stellen, die idioteneinfach sein
müssen auch wenn Sie den Verstand von 95% der Bevölkerung
beleidigen. 'Wer schrieb Goethes Faust?' oder 'Wann wurde unser
Unternehmen gegründet, das 1972 gegründet wurde?' Und
dann: 'Lösung ankreuzen und Postkarte abschicken an...'"
Alles schön und gut. Wir sind hier aber im Internet, ein Gewinnspiel
kann hier wirklich ein echtes Spiel sein. Wer das verstanden hat,
erreicht auch bei denen etwas, die nichts gewinnen. Wenn Holger
sich nicht als geweihtragender Rohrkrepierer erwiesen hätte,
wäre ich wahrscheinlich wieder gekommen, und sogar völlig
ohne Gewinn, einfach nur so, um mich zu unterhalten. Und ich hätte
weitergesagt, dass man bei Quelle gute Spiele finden kann. Jetzt
unterlasse ich das aber tunlichst. |
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