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Das Gewinnspiel
 
In einer modernen Dienstleistungsgesellschaft müssen Gewinnspiele sein, denn diese wirken - wie jedermann weiß - nicht nur ungemein förderlich auf Verstand und Konzentration, sondern auch auf Images und Umsätze. Letzteres sichert wiederum Arbeitsplätze und stärkt die Kaufkraft der Bevölkerung, die Wirtschaft blüht und hat ausreichend Mittel, z.B. zur Entwicklung von Gewinnspielen. 

Und spätestens seit es das Moorhuhn gibt, wissen wir, dass Internaut/innen für spaßige Spielchen besonders anfällig sind. Ein gepflegtes Gewinnspiel gehört also zur Standard-Bewaffnung einer Website, die etwas auf sich hält. Das hat man auch beim Otto-Versand ganz richtig verstanden, und gleich die Konsequenz gezogen. Die Leiter/innen der neuen Medien riefen nach kurzer Absprache mit der Konzernleitung Web-Teams, Content-Manager und -innen sowie die Leute aus der Marketingabteilung und der Hausagentur zusammen, und gemeinsam wurde als super - interaktiv - mediengerecht - imagewirksam - verkaufsfördernde Kundenbindungsmaßnahme ein Gewinnspiel developed (man könnte auch "ausdenken" sagen, aber das klingt doch irgendwie billig, nicht?). Das Projekt wurde dann als Beta-Version aufgelegt, in kürzester Zeit durch die Gremien gejagt, abgenickt, die final version released und gelauncht ...und ich Idiot bin voll darauf hereingefallen.   

 
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Wie kam's? Ich war zu Recherchen in Sachen Shop-Usability unterwegs, und es heißt ja nicht umsonst:

Erst mal seh'n was Quelle hat! 

Während ich also bei der Quelle die vierschichtige Drop Down Navigation des Katalogs mit gerunzelter Stirn betrachtete, und Menüs munter auf- und wieder zuklappten, fiel es mir auf:
 
Die Quelle lockt gleich mit 4 Gewinnspielen! 

"Elche knutschen?" Nachdem die Moorhuhn-Hysterie ziemlich spurlos an mir vorbeigegangen ist, wittere ich eine Chance, in Sachen Internet-Spiel wieder Boden gut zu machen. Außerdem wird mir ein wenig Zerstreuung gut tun. Also hole ich mir ein paar belegte Schnitten und eine Kanne Kaffee, schalte das Telefon stumm (es ist ja nichts schlimmer, als mit angelegtem Gewehr von einem dringenden Geschäftsanruf gestört zu werden) und klicke...

 
 
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Gut, für ein Elcheknutschgewinnspiel wird schon einiges zu laden sein, da sich das Warten lohnt, warte ich geduldig. Nachdem es sich ausgeloadet hat...
 
...erscheint dieser winterfeste Geselle auf meinem Monitor, den ich in spontaner Zuneigung auf den Namen "Holger" taufe. Was Sie nicht sehen können, was aber meinerseits Anlaß zu großer Heiterkeit war - Holger wackelt ganz fürchterlich mit dem Unterkiefer. Aufklappen - Zuklappen, richtig lustig ist das! Und dann...

...erscheint dieses engelsgleiche Kind und küßt Holger auf sein sabberndes Maul, worauf sich (in der unteren Grafik sehr schön zu sehen) ein flash-animiertes Herz aufbläht. Sonst passiert nichts, das Ganze wiederholt sich in einer Endlosschleife. Ich erkenne fachmännisch, dass das ein original skandinavisches Kind sein muss. Warum? Weil es blond ist, und (noch wichtiger) tatsächlich lebende Elche küßt. Holger ist mir zwar spontan sympathisch, aber er hat mit Sicherheit einen erbärmlichen Mundgeruch, und daran muß man gewöhnt sein. Zum Glück habe ich an den Ton gewohnheitsmäßig ausgeschaltet, sonst würde ich bei jedem Kuss einen lauten "Schmatz" hören (es ist wirklich so, ich habe es später ausprobiert).

In einer animierten Schrift wird dann noch eine wertvolle Winter-Reise nach Lappland in Aussicht gestellt, die mich nicht die Bohne interessiert. Die Details  erspare ich Ihnen hier, denn es geht mir ja nicht wirklich darum, etwas zu gewinnen (mit einer Chance von 1 : 40.000), sondern ums Spielen. Bisher hält sich meine Begeisterung allerdings in Grenzen. 

Aber jetzt genug der Intro, jetzt geht's los, jetzt geht's ans Spielen, ans Denken, Knobeln, Reagieren - und Ausweichen. Sie glauben doch nicht im im Ernst, dass ich Elche küsse? Wahrscheinlich geht es gleich darum, einem aufdringlich-kussmäuligen Holger zu entkommen, dabei übermütig durch den Schnee zu tollen, Schneebälle auf artig gekleidete skandinavische Mädchen zu werfen, tückische Löcher im Eis zu erkennen und - wer weiß -  vielleicht eine Flinte anzulegen? Das macht bestimmt Spaß!
 

 
 
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Hier ist sie also: Die knifflige und höchst interaktive Aufgabe, die sich die Kreativen bei der Quelle für uns ausgedacht haben: 

Mmmh, da scheint es jemandem scheint nicht klar zu sein, dass wir Internet-Nutzer/innen täglich Hunderte von Metern mit der Maus zurücklegen, um irgendwelche verquasten Oberflächen auf verborgene Links abzusuchen. Wer hier länger als 10 Sekunden sucht...

Nein, Holger, keine Chance, meine Maus hat Dich gleich.
 
Na also. Und jetzt tut es mir fast leid, dass mein Mauszeiger kein Fadenkreuz ist, denn für so eine erbärmliche Spiel-Idee gehört irgendjemand erschossen. Und natürlich klicke ich jetzt nicht, denn ich bin nicht hier, um ein Formular auszufüllen und keine Reise nach Lappland zu gewinnen, sondern um Elche zu knutschen.

 
 
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Wieder einmal werde ich den leisen Verdacht nicht los, dass da irgendein/e Schlauberger/in eine Print-Idee 1 : 1 ins Web geklatscht hat. "Wir hatten doch da vorletztes Jahr dieses Postkarten-Rätsel, in dem die Kunden einen Elch umranden sollten - Das haben wird ja damals wegen dem jodelnden Weihnachtsmann nicht realisiert. Wäre das nichts für unsere Website?" 

Nein!
 

 
Lassen wir noch einmal den Marketing-Profi zu Wort kommen. Und der belehrt uns folgendermaßen: 
"Der Sinn eines Gewinnspiels ist nicht, die Leute zu unterhalten, sondern die Verlosung als solche an den Mann zu bringen. Wenn man da intellektuelle Hürden aufbaut, verliert man Teilnehmer, und deshalb sollte man Fragen stellen, die idioteneinfach sein müssen auch wenn Sie den Verstand von 95% der Bevölkerung beleidigen. 'Wer schrieb Goethes Faust?' oder 'Wann wurde unser Unternehmen gegründet, das 1972 gegründet wurde?' Und dann: 'Lösung ankreuzen und Postkarte abschicken an...'"
Alles schön und gut. Wir sind hier aber im Internet, ein Gewinnspiel kann hier wirklich ein echtes Spiel sein. Wer das verstanden hat, erreicht auch bei denen etwas, die nichts gewinnen. Wenn Holger sich nicht als geweihtragender Rohrkrepierer erwiesen hätte, wäre ich wahrscheinlich wieder gekommen, und sogar völlig ohne Gewinn, einfach nur so, um mich zu unterhalten. Und ich hätte weitergesagt, dass man bei Quelle gute Spiele finden kann. Jetzt unterlasse ich das aber tunlichst.
 
 
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© Dr. Thomas Wirth Kommunikationsdesign - eMail: thomas.wirth@kommdesign.de
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