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Artikel 6 von 44
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KommDesign.de Galerie schlechte
Kommunikation
Du sollst nicht lügen! |
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....das ist eine Regel aus dem kleinen Einmaleins der Kommunikation,
die man niemandem erklären muß. Im Internet gibt es
viele kleine Lügen, z.B. Hypertext-Links, die "Service" versprechen
- und dann zu Angeboten führen, die alles sind, nur eben
kein Service ("Hier können Sie das Video mit dem Interview
unseres Aufsichtsratsvorsitzenden herunterladen..."). Oder
Websites, die uns am Anfang großspurig versichern, sie enthielten
jede Menge "Infotainment" und am Ende dann sterbenslangweilig
sind.
Es gibt aber auch andere Lügen, nämlich dann, wenn
wir erfahren: "Hier finden Sie genau Dieses" und dann finden
wir eben nicht Dieses, sondern Das oder Jenes oder
auch Nichts - und das wollten wir eigentlich gar nicht.
Ein erschütterndes Beispiel für dieses regelwidrige
Verhalten begegnete mir auf der Website des skandinavischen Möbelherstellers
IKEA.
Ich muss vorausschicken, dass ich schon immer ein begeisterter
Anhänger von Extremsportarten war. Jeden Para, den ich finden
kann, unterziehe ich einem gründlichen Gliding, ich rafte,
boarde, jumpe, bike und climbe, alles probiere ich aus, um den
ultimativen Kick zu bekommen. Und nun habe ich entdeckt, daß
ich das mit dem ultimativen Kick wie meine Bankgeschäfte
erledigen kann, nämlich einfach und bequem von zu Hause aus.
Um eine tüchtige Dosis Adrenalin aus meinen Nebennieren zu
zapfen, bietet das Internet nämlich die coolste und angesagteste
Extremsportart des dritten Jahrtausends:
eCommercing!
Bei IKEA wollte ich mich z.B. nach einem Bürostuhl
umsehen, und anstatt wie Oma oder Opa Kataloge zu wälzen
oder in Ladengeschäfte zu fahren, ziehe ich mein eCommercing-Dress
an und stürze mich unangeseilt in die Abgründe des Internet.
Bei IKEA fühle ich mich spontan wohl, denn hier geht's gleich
am Anfang gefährlich zu - so recht nach meinem Geschmack
als Extrem-eCommercer:
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Screenshots vom 29.01.2000
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Volle Deckung! Knut komn...! Und in dem signalgelben Dreieck
mit dem signalroten Rand fallen in unregelmäßigen Abständen
Bäume vom Himmel. Die Aufforderung in Deckung zu gehen, ignoriere
ich mutig, stattdessen bleibe ich auf meinem Stuhl sitzen und
betrachte mir die Bescherung etwas genauer. Wer ist denn, bitteschön,
Knut? Und warum "komn" er? Dann sehe ich: Der Ikeanier hat anscheinend
größere Bildschirme mit höheren Auflösungen
(wahrscheinlich der Monitor "Breit", für die ganze Familie,
ab nur 390 DM). Da komme ich nicht mit.
Macht aber nichts. Als eCommercer interessiere ich mich ohnehin
nicht für Knut und seine Holzfäller, sondern für
Produkte, Services, Preise, Formulare und dergleichen, also: Klick
auf "Produkte online", und auf der folgenden Seite gleich noch
auf "Arbeiten mit IKEA".
Das Ergebnis sieht im wesentlichen so aus:
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Online einen Beratungstermin vereinbaren? Das ist eine ganz neue
und gute Idee, finde ich. Also: Klick auf "Beratungstermin". Auf
der folgenden Seite sieht es sehr aufgeräumt und übersichtlich
aus. Man könnte auch sagen leer, hier wieder die wesentliche
Information in Kürze:
Hmm, Kein Formular, keine Auswahl von Filialen, kein Kalender,
aber immerhin: Da steht eindeutig etwas von Büroplanung,
ausgebildeten Mitarbeitern und auch der Freude, mit der sie auf
mich warten, wird online-Ausdruck verliehen. Und sonst nichts........?
Ach so! Allmählich dämmert's. Das da auf dem Bild kann
nicht einfach nur ein Bild sein. Es muß das Interface des
neuen Jahrtausends sein, ein virtuell-interaktiv quasireales Interface
to face, sozusagen. Die Schweden sind uns doch eine Nasenlänge
voraus, da sieht man es wieder. Ob es eine simulierte, also virtuelle
Käufer-Verkäufer Session oder eine Direktschaltung via
Webcam ist? Weiß nicht, aber bestimmt wird es gleich interaktiv...
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Als höflicher Mensch
bleibe ich zunächst einmal im Hintergrund und verhalte
mich beobachtend - ich gebe zu, auch aus einer gewissen Verunsicherung
heraus. Die Personen auf dem Interface sind anscheinend in
einer Meditation über einen zu vereinbarenden Termin
(oder schon ein zu planendes Büro?) vertieft. |
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Ich stelle mich also hinten an, wie es
sich gehört. Nachdem sie eine Weile meditiert haben -
und ich eine Weile gewartet - versuche ich es einmal mit einem
Räuspern.
"ähem..."
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Jetzt spreche ich die weißblusig
ausgebildete Mitarbeiterin direkt an. "Entschuldigen Sie die
Störung, ich komme gerade von der IKEA Website, und ich
möchte online einen Termin mit Ihnen vereinbaren.....
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"Sie sind doch IKEA Mitarbeiterin?"
"Hallo? - Ha-lo! - HALLO!"
vielleicht braucht es ein Passwort...
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"... ähm..... " |
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"Knut?" |
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"Knut."
"Knut!"
"Knu-hut!"
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"Knut!"
"Knuti-knuti-knuti-Knut!!!!"
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Ahh, da ist er wieder, der ultimative Kick! Gefäßverengendes
Adrenalin ergießt sich in meine Adern, Blutdruck und Herzfrequenz
steigen an, meine Pupillen verengen sich..... Es ist mitnichten
ein Interface des dritten Jahrtausends, es ist eine gewöhnliche
Hypertext-Falltür, und ich Depp bin voll 'reingetreten. Das
war dann also ganz bequem und von zu Hause aus das jähe Ende
der praktischen Online-Vereinbarung des Beratungstermins mit den
freudigen IKEA Mitarbeitern.
Noch einmal zusammengefaßt: IKEA lockt mich auf seine Website,
bewirft mich ein wenig mit Bäumen, verdeutlicht mir beiläufig,
daß ich meine Bildschirmauflösung besser auf 1024x768
einstellen sollte, bietet mir dann freundlich an, online eine
Beratungstermin mit Bürospezialisten zu vereinbaren, und:
lügt mich damit an - einfach so. Verzeihung, aber so nennt
man es doch, wenn jemand die Unwahrheit sagt? Denn eines ist sicher:
Hier kann man überhaupt keinen Beratungstermin vereinbaren,
weder mit aus- noch mit eingebildeten Mitarbeitern und nicht das
allerkleinste Minütchen.
Und wenn Sie sich nun wundern, wie so etwas passieren kann, fragen
Sie nicht mich, fragen Sie Knut - aber offline, bitte.
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