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Familie Duck im KosovoDu sollst nicht lügen!
 
Artikel 5 von 44
KommDesign.de — Galerie — schlechte Kommunikation

Mit sanftem Zwang ins Gästebuch
   

Der besondere Reiz des Surfens im Web entsteht dadurch, daß man sich durch gigantische Informationsräume bewegen und dabei die Richtung der Bewegung jederzeit kontrollieren kann. Das ständige Auswählen und Entscheiden ist nicht nur eine Last, sondern auch eine Lust. Push-Techniken, die die Autonomie der Benutzer/innen aufweichen, haben sich dementsprechend als wenig erfolgreich erwiesen - zum Glück. Wenn man passiv sein möchte, geht man nicht online, sondern setzt sich vor den Fernseher, und hieraus ergibt sich eine einfache Regel: Unterlassen Sie alles, was den Entscheidungsspielraum Ihrer Gäste einengt, denn wenn sie eine Entscheidung selbst treffen können, möchten sie das auch tun. Wenn ich völlig frei entscheiden darf, ist das ein Zeichen von Respekt, und ich finde das genauso angenehm wie es mir sauer aufstößt, wenn mich jemand in irgendeiner Weise auszutricksen versucht.

Hierzu ein fast schon unglaubliches Beispiel, es stammt aus der Website eines britischen Unternehmens namens "RPC Containers". Was uns dort zur Begrüßung entgegenglotzt ist ein Fenster, das listigerweise in die amtliche, blau-graue Uniform einer System-Meldung geschlüpft ist:
 
eine überaus kundenfreundliche Begrüßung

(Screenshot vom 08.09.1999)

 
Da gerät man dann doch gleich erheblich ins Stolpern. Ich bin ja an so einiges gewöhnt, aber daß sich jemand entblödet, mich in sein Guestbook zu schicken, bevor ich seine Site sehen kann, das schlägt dem Faß wirklich die Krone ins Gesicht. Guestbook? Das ist doch etwas, in dem z.B. der Schwager des Webmasters kundtut, daß das hier aber eine verdammt prima übersichtliche und nützliche Site sei, oder in dem einfallsreiche Menschen 500 mal feinsäuberlich das Wort "ficken" eintragen - sozusagen als kleines Online-Grafitti (die haben das anscheinend immer und  jederzeit als Textbaustein verfügbar). Ich persönlich lese Gästebücher deshalb nur, wenn mir sonst gar nichts mehr einfällt. Aber bei RPC Containers hilft alles nichts: Ohne Gästebuch keine Information - basta!

Ich möchte die Aufmerksamkeit meiner Leserinnen und Leser hier noch einmal auf die in der Tat sehr subtile Benutzerführung lenken. Unter dem Alarm-Text, der mir den Zwangsbesuch des Guestbooks ankündigt, befindet sich ein Knopf mit der Aufschrift "OK" und (Achtung, gut aufpassen, jetzt kommt der Trick) sonst nichts! Ich werde also nicht etwa gefragt, ob ich damit einverstanden bin, man teilt mir das einfach lapidar mit: "Guten Tag, sie gehen jetzt bitteschön in unser Guestbook, wenn nicht, dann aber ganz schnell raus hier!" Auch das Knöpfchen zum Schließen des Fensters rechts oben ist inaktiv. "So einfach lassen wir uns aber nicht überlisten, Sie Quertreiber. Also: Guestbook, oder....". Das ist doch wirklich geschickt gemacht. Was unter Usability-Gesichtspunkten allerdings fehlt, wären weitere Knöpfe, z.B.  mit der Aufschrift "cancel" oder "back" - oder "bye bye" oder wie wäre es mit "fuck you"? (wir sind schließlich im angelsächischen Sprachraum, und da wird das ja bei den verschiedensten Anlässen immer wieder gerne genommen).

 
 
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© Dr. Thomas Wirth Kommunikationsdesign - eMail: thomas.wirth@kommdesign.de
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