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KommDesign.de — Galerie — schlechte Links und Menüs

Die Klappmesser-Metapher

Im vorigen Beispiel haben wir gelernt: Eine Möglichkeit mit dem Problem umzugehen, dass etwas eindeutig nicht auf eine HTML-Seite paßt, ist, es einfach doch dort unterzubringen, koste es was es wolle. Die zweite Möglichkeit, über die ich in diesem Beitrag sprechen möchte, ist raffinierter: 
 

Zusammenklappen!

Der Zollstock, oder - noch beeindruckender - das Schweizer Taschenmesser sind Beispiele, an denen man sehen kann, wie gut das in der Realität funktioniert. Oder haben Sie schon einmal gleichzeitig ein Messer, eine Nagelfeile, noch ein Messer, einen Korkenzieher, einen Dosenöffner, eine Lupe, eine Säge, eine Schere, einen Grätenschaber, einen Schraubenzieher, eine Ahle und ein merkwürdiges längliches Metalldings, dessen Verwendungszweck sich Ihnen völlig entzieht, in die Hosentasche gesteckt? Glauben Sie mir: Es geht nicht, es sei denn, man hat eines dieser fingernagelfressenden Schweizer Klappwunder. 

Nun gibt es im Internet ja Raummangel allerorten, die Websites platzen vor lauter tollen Infos aus allen Nähten, da liegt es doch nahe...

Oder finden Sie nicht?

eine 
interessante Idee
für Ihre Website?
.
ein Taschenmesser
 
Die Medien-Macher/innen bei der BASF fanden, ja. Und so haben sie in Ihre Website wirklich patente Klappsysteme eingebaut, die den Besucher ganz patent zu den Informationen führen, die er/sie sucht - und dies im Gegensatz zum Vorbild sogar ohne Fingernägel abzubrechen.
 

Übrigens haben die Leute von der BASF, wenn sie sich ihre Besucher/innen vorstellen, anscheinend Gabelstapler im Sinn. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass die URL des Konzerns ausgeschrieben so aussieht:

eine URL für Gabelstapler

Gabelstapler fahren doch auf / an / über Rampen? Und sie mögen es auch sehr, wenn diese statisch sind? Ja wirklich, mit beweglichen Zielen hatten sie immer schon Probleme. Und wenn ein Gabelstapler auf altavista.com "rampe" und "statisch" als Suchbegriffe eingibt, steht die BASF an oberster Stelle der Trefferliste. Die Gestaltung ist also für Suchmaschinen optimiert.

 
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Aber kommen wir zum Kern der Sache, der Klappmesser-Navigation.
Die findet man auf basf.de an verschiedenen Stellen, besonders raffiniert aber im Produktindex - einer Seite, in der man via "Freitextsuchmaschine" nach Produkten suchen kann. Am Seitenanfang ist hier eine Leere, die mehr ist als nur Leere (ein Gedanke von beeindruckendem philosophischem Tiefgang übrigens). Das sieht man aber mit unbewaffnetem Auge nicht, man muss schon ein wenig mit der Maus experimentieren. Also:

vorher


BASF Klappmesser geschlossen
(Screenshots vom 24.06. 2000)

nachher

BASF Klappmesser offen

Wer nun präzise linear an dem hellblauen Streifen entlang fährt, kann eine Option wählen. Wer zittert, hat Pech, denn wenn die Mauszeiger aus Versehen den Schnappmesserbereich verläßt...

zapp-zarapp!

BASF Klappmesser geschlossen


Ist aber halb so schlimm, denn man kann ja wieder hinein, in die Zone, und dann kommt  (zapp-zarapp) der hellblaue Balken auch wieder, und wer das nicht zu Wege bringt, sollte vielleicht die Gelegenheit nutzen und sich im Produktindex unter "Pharmaka" nach einem geeigneten Anti-Parkinson-Präparat umschauen. Ich wette, die BASF oder eine ihrer zahlreichen Töchter hat da etwas auf Lager

Beeindruckend finde ich diese Lösung auch deshalb, weil die Fläche, die für das Auf- und Zuklappen verbraucht wird, ohnehin vorhanden ist, d.h. der Nettogewinn an Raum für die Darstellung von was-auch-immer ist gleich Null. Dazu muß man dann eigentlich nur noch erwähnen, dass die auf- und zuklappende Zeile etwas nicht ganz unwesentliches enthält, nämlich die Hauptnavigation der Website, und dann ahnt man, warum es eine ziemlich schlechte Idee ist, diese nach der Klappmesser-Metapher zu gestalten.

 
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Es gibt auch eher flächig oder sozusagen tüpfelnd / spritzend arbeitende Klappmesser, also Menüs, die nach Berührung des magischen hot-spot mehrere verstreute Links oder Informationen absondern. Das schönste Beispiel, wie man so mit raffinierten Tricks Web-Oberflächen Marke "Ergonomenglück" erzeugen kann, findet sich auf der Website der tapferen "Argonauten". Das ist eine jener Agenturen, die (wenn man ihrer Selbstdarstellung Glauben schenkt) derart von Visionen über die Zukunft gequält werden, dass sich die Prophezeihungen des Nostradamus dagegen wie ein staubtrockener Tatsachenbericht lesen.

Auf ihrer Startseite haben die Argonauten für den/die erlebnishungrige/n Surfer/in etwas vorbereitet, das so Recht nach meinem Geschmack ist. Wenn man sich an dem notorischen Newspop-Fenster vorbeigeklickt hat, sieht man dort ein doppelsymbolisch durchdachtes, turbowirksames, vollästhetisches Online-Interface:

(Screenshots vom 24.06. 2000)


Seien Sie mutig, streifen Sie alles Irdische ab, 
blicken Sie in die Sterne!

...so ruft uns diese Installation (das simple Wort "Seite" will mir da nicht so recht aus der Tastatur) zu. O.K. - und weiter? Wenn man sich über das eigene Verhältnis zum Kosmos klar geworden ist, muss man nur noch die Sterne berühren (ich hoffe, Sie bemerken die Poesie, wenn nicht, weise ich Sie hiermit noch einmal ausdrücklich darauf hin - wär' doch schade 'drum), und schon werden die kosmischen Navigationsinseln der Argonauten auf dem Himmel angezeigt. Nein, das ist eigentlich nicht angemessen formuliert. Eingeblendet? Hmm  - "Blenden" klingt schon besser, aber immer noch nicht optimal. Wie wäre es mit...

gebeamt!

Ja, genau das ist es! Beam me up, Scotty!

Berühren Sie die Sterne, und wir beamen Sie zu 
argo sales, - strategy, - mobile und - markendialog!

Und kaum hat die Maus den hot spot verlassen...

zapp-zarapp!

Verschwinden die Info-Inseln wieder, so wie es sich für eine gute Klappmesser-Navigation gehört.

"Ach was", spricht der Argonaut, "der Kerl hat ja keine Ahnung, wir sind immerhin nicht Krethi und Plethi, sondern die Argonauten, und zu unseren Kunden zählen Icks und Ypsilon, und sogar Zett! Die zahlen uns allesamt eine Menge Geld, wie Sie auf unserem Popup-Fenster gesehen haben (Sie haben es doch nicht etwa weggeklickt?). Wenn das mal kein Beweis ist, dass wir wissen, wo es lang geht. Der Wadenbeißer..." -

"Also gut, schön", unterbricht der Wadenbeißer: "Es mag doppelsymbolisch durchdacht, turbowirksam und vollästhetisch sein, meinetwegen noch tiefer gelegt, mit Breitreifen und Spoiler, und jeder mag es kaufen. Es ist aber garantiert nicht benutzerfreundlich." 

Und das gilt im übrigen für - fast - alle Varianten der Klappmesser-Idee.

 
 
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© Dr. Thomas Wirth Kommunikationsdesign - eMail: thomas.wirth@kommdesign.de
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